Nun soll es wieder bergauf gehen. Anfang der Woche traf sich in Berlin der Koalitionsausschuss der deutschen Regierungsparteien CDU, CSU und SPD, um gemeinsam den Weg aus der ökonomischen Corona-Krise auszuschildern. Ein Maßnahmenpaket wurde geschnürt, „das der Wirtschaft helfen soll, wieder Tritt zu fassen und zu wachsen“, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Auftakt des Treffens sagte. Dies tut not, denn die neuesten Schätzungen weisen im zweiten Quartal auf einen stärkeren Einbruch der deutschen Wirtschaft infolge der Corona-Pandemie hin, als bisher angenommen wurde. Für das Gesamtjahr wird nun ein Minus beim Bruttoinlandsprodukt von bis zu neun Prozent nicht mehr ausgeschlossen. Bislang ging die Regierung noch von einem Minus in Höhe von 6,3 Prozent aus.
Das setzt die Regierung mächtig unter Druck, was nicht bedeutet, dass nicht doch noch Zeit und Raum für Differenzen bleibt. Schnell konnte sich die Große Koalition auf eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate verständigen. Der Vorschlag kam von Finanzminister Olaf Scholz (SPD), ohne Widerspruch bei den konservativen Parteien zu ernten. Auch der Vorschlag von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) Überbrückungshilfen für kleine und mittlere Betriebe, die starke Umsatzeinbrüche haben, ist Konsens. Doch damit endeten die Gemeinsamkeiten.
Ein Knackpunkt war die Kaufprämie für Autos, bei der die Konfliktlinien quer durch die Parteien verlaufen. Die SPD will diese Prämie nur für Kraftfahrzeuge mit Elektroantrieb locker machen: „Unsere Unterstützung für diese Branche insgesamt soll sich in die Zukunft orientieren. Deswegen wollen wir Kaufprämien ausschließlich für Elektromobilität“, erklärte Saskia Esken, Co-Vorsitzende der SPD. Dieser Meinung wollte sich ihr Parteifreund Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen, nicht anschließen, denn Kaufprämien für moderne „Verbrennerautos“ seien auch gut fürs Klima, weil sie ältere Fahrzeuge ersetzten. Unterstützung bekam er von den Unions-Ministerpräsidenten Markus Söder, Bayern, und Armin Laschet, Nordrhein-Westfalen; Widerspruch dagegen vom Wirtschaftsflügel: „Eine Kaufprämie entfacht allenfalls ein Strohfeuer, wirkt nicht nachhaltig. Wir brauchen nachhaltige Lösungen. Wir wollen nicht zurück ins Jahr 2018 oder 2019, sondern in die Zukunft. Und dafür müssen wir gerne der Branche helfen – mit Liquidität, aber nicht mit einer Kaufprämie“, so Carsten Linnemann, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion. So gibt es nun eine Prämie für E-Autos. Gedeckelt bei 77 000 Euro Listenneupreis. Gleichzeitig soll der Ausbau von Ladestellen für E-Fahrzeuge beschleunigt werden.
Dann war da noch der „Solidarpakt für Kommunen“, ein Unterstützungsprogramm im Umfang von 57 Milliarden Euro. Dieser sollte unbedingt eine Altschuldenhilfe für Kommunen umfassen – auf Wunsch von Olaf Scholz – und käme damit vor allen Dingen Städten und Gemeinden zugute, die hohe Kreditlasten haben. Profitiert hätten davon Kommunen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, weniger in Ländern mit geringer Kommunalverschuldung wie Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen oder Thüringen. Diese Entschuldung wäre wichtig, damit Kommunen im Westen der Republik die Gelder der Hilfspakete auch ausgeben können und nicht durch Haushaltssperren daran gehindert werden.
Die SPD konnte sich in der familienpolitischen Komponente durchsetzen: Der Staat zahlt einen einmaligen Kinderbonus in Höhe von 300 Euro. Pro Kind. Ausgezahlt wird er über das Kindergeld. Als ein „Impuls für die private Nachfrage“. Doch der Bonus ist umstritten, weil er wohl von Geringverdienern ausgegeben würde, nicht aber von Besserverdienern. Es gelte, die Binnennachfrage zu stärken, sagte Markus Söder gegenüber der Welt am Sonntag. Insgesamt sollen die Konjunkturmaßnahmen einen Umfang von rund 130 Milliarden Euro haben. Der größte Batzen ergibt die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes von 19 Prozent auf 16 Prozent sowie von sieben Prozent auf fünf Prozent im verminderten Satz. Ebenfalls nicht unumstritten, ob die Kauflaune der Deutschen in harten Zeiten überhaupt steigen wird.
Damit hat die größte Volkswirtschaft der EU ihren Weg aus der Corona-Krise festgesteckt. Es scheint die Prämisse vorzuherrschen, der Wirtschaft schnell und umfassend auf die Beine zu helfen. Aufgrund der Vernetzung der europäischen Wirtschaft werden Hilfen für die deutsche Automobilindustrie letztendlich auch Arbeitsplätze bei Zulieferbetrieben etwa in Portugal oder Kroatien sichern. Eine steigende Binnennachfrage in Deutschland wird auch in den übrigen Mitgliedsstaaten positive Effekte haben. Jahrelang galt Berlin als die sparsame „schwäbische Hausfrau“, die keinesfalls von ihrem Diktum der Schwarzen Null abweichen wollte. Nun öffnet die Bundesregierung ihre Schatullen, und daran sollte sie niemand hindern.
Doch die Corona-Pandemie offenbarte auch Schwachpunkte in der Verwaltung, die auch von den Konjunkturpaketen außen vor gelassen werden: Sie muss konsequent und schnell digitalisiert werden, was etwa Unternehmensgründern Zeit spart, wenn sie eine Anlaufstelle im Internet haben oder Bürger ihren Reisepass beantragen oder die Kfz-Anmeldung online erledigen können. „In der Krise ist die fehlende Digitalisierung ja vom Ärgernis zum großen Problem geworden, weil Verwaltungen geschlossen hatten. Wir haben schon ein Gesetz“, so der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ralph Brinkhaus, „aber die Umsetzung stockt. Es ist klar, dass der Bund da finanziell anschieben muss.“ Viele Ökonomen fordern darüber hinaus, in Zukunftsthemen zu investieren und den Klimaschutz nicht zu vernachlässigen. Es müsse Geld investiert werden, dass Deutschland wie auch Europa im internationalen Wettbewerb mitspielen können. Doch gerade hinsichtlich der Klimaschutzpolitik verfallen viele Entscheider auf die Prämisse, dass zunächst der Wirtschaft geholfen werden müsse. Um das Klima könne man sich später kümmern..