Der Empfangsraum der luxemburgischen Botschaft in Berlin sieht anders aus als sonst. Weißer. Leerer. Größer. Diskreter. Er erinnert an die Weite eines Ausstellungsraums einer Galerie, mit den großen Schaufenstern zur breiten Klingelhöferstraße im Rücken, die durch das Berliner Botschaftsviertel führt. Das neue Erscheinungsbild hängt auch damit zusammen, dass die klassische Aufmachung des Raumes grundlegend verändert wurde: Die Standarten fehlen, das Portrait des großherzoglichen Ehepaares wurde abgenommen. „Es war eine Herausforderung“, so der Botschafter Jean-Paul Ernest Senninger, „unseren Multifunktionsraum in eine Galerie umzubauen. Aber Luc Wolf hat es geschafft, diesen Raum zu verwandeln.“ Am Freitag, den 31. Mai, wurde die Ausstellung Wallpapers / Papiers peints in der Maison du Grand-Duché eröffnet.
An den Wänden hängen Bildgruppen mit größeren „Papierarbeiten“, die Wallpapers oder Papiers peints. Es sind Zusammenstellungen kleinformatiger Aquarelle, zu zweit, dritt oder viert, in Sechser- oder Neunergruppen; mal allein, kleinteilig, mal riesengroß, gerahmt oder gar hinter Glas. Die Aquarellarbeiten leben von ihren unendlich repetitiven, aber keineswegs regelmäßigen Mustern, die etwa an den Abdruck eines nassen Wasserglases erinnern. Der Künstler Luc Wolff selbst beschreibt seine Arbeiten als Studien für seine Wandarbeiten. Insbesondere die gerahmten Werke sieht er als Überbleibsel seiner Untersuchungen, als verfolgte und verworfene Pisten. Sein Hauptaugenmerk liegt auf einer großformatigen, neunteiligen Werkgruppe.
„Nach dem Gymnasium habe ich eine Ausbildung zum Gärtner gemacht. Meine Eltern hatten eine Baumschule und eine Gärtnerei, und so habe ich fast zehn Jahre lang im Familienunternehmen mitgearbeitet. Ende der 80er Jahre bin ich nach Berlin gezogen, wo ich zuerst Gartenbau studiert habe, bevor ich angefangen habe, Kunst zu machen. Mein Repertoire, diese organischen Formen wurzeln im Gartenbau, in der Natur. Am Anfang meines Schaffens waren die Umrisse der einzelnen Formen noch klar zu erkennen, die sich allmählich mehr und mehr zurückgezogen und zu einer Struktur verknotet haben“, kontextualisiert der Künstler die wiederkehrende Bewegung auf seinen Wallpapers. Luc Wolff malt per Hand, mit dem Pinsel. Die Farben weisen allesamt Farbverläufe auf, sind nie deckend oder einfarbig, denn es handelt sich um Aquarelle. Die Farben sind. Erst an den Schnittstellen entstehen Kontraste. Zwischen Khaki, Orange und dunklem Blau scheinen neue, hellere Farben auf. Doch was wirkt wie eine optische Illusion, ist echt. Zwischen den gedeckteren Farben verstecken sich grellgelbe und knallrote Tüpfelchen, als würden sie sich erst an diesen Schnittstellen herauskristallisieren. Einige Werke sind großformatig, andere weitaus kleinteiliger, wiederholen die Muster ihrer Nachbarn oder stehen für sich selbst; sei es als eine Art Farbexperiment, sei es als Spiel mit einem neuen Format. Etwas, das auf den ersten Blick durchaus einheitlich wirkt, als könnte es in den Hintergrund rücken, wie Tapeten es ja gemein tun sollen, enthüllt beim genaueren Hinsehen seine Vielschichtigkeit, die unendliche Variation und unzählige individuelle Details.
In den 90er Jahren verließ der Künstler allmählich den Bereich der reinen Malerei. „Die grundlegende Geste war, noch mehr abzutragen, noch mehr wegzulassen, statt noch etwas draufzusetzen. Der erste Meilenstein war geschafft, als ich so weit zurückgegangen war, dass ich auf einmal keine Bilder mehr gemalt habe“, erzählt Luc Wolff. In dem Kontext situieren sich auch die Strukturen der Wallpapers, die keine intrinsische Symbolik haben. Sie verlassen die bloße Bildfläche und strahlen auf den gesamten Raum aus, verleihen seinen Nischen und Ecken Stimmungen. Doch es ist nur ein kleiner Ausschnitt aus einer umfassenden Sammlung.
Allein die kleinen Formate beweisen, dass diese Pattern die Wände zwar ganz bedecken könnten, es aber de facto nie tun. Sie isolieren die Essenz der Wallpapers, ihrer Muster und Farbkombinationen, lösen sie aus ihrem möglichen Kontext, den wir uns nur vorstellen können, und verleihen ihnen durch ihre Existenz als Ausschnitt eine neue Identität.
Auch in seinen vorherigen Arbeiten widmete sich Wolff der Erkundung von Randzonen, Durchgangsräumen oder Leerstellen (z. B. Wand, Galerie Christof Weber, Berlin, 1994, oder Offene Wände, Galerie de Luxembourg, Luxemburg,1995), indem er Wände bespachtelte, schließlich die Wände ganz wegließ und leere Räume zeigte (wie mit Magazzino bei der Biennale in Venedig, 1997). Schließlich führte ihn eine Professur in Halle für Farbe und Design – „ausgerechnet, dabei wollte ich ja auch auf Farben verzichten“, so Luc Wolff – Anfang der 2000er wieder zurück zur Malerei, zum Raum und den Wänden, wie die Wallpapers beweisen. Doch auch in diesem Werk bleibt der Raum etwas Wandelbares, Durchlässiges – ein Thema, mit dem sich Luc Wolff weiter befassen wird. „Ich war vor Kurzem in der Sainte Chapelle in Paris“, erzählt er von seiner aktuellsten Arbeit, „wo mich die Kirchenfenster inspiriert haben. Das ist eine spannende Durchlässigkeit, die eine Verbindung zwischen Innen und Außen herstellt, was ganz in meinem Sinne ist. Ich habe eine Werkreihe aus Plexiglas erstellt, die ich vor weißen Wänden montieren will …“ Von weißen Wänden zu Lichteffekten, von den Grenzen der Räume und den Möglichkeiten ihrer Neudefinition, ihrer Öffnungen, bleiben Verschiebungen somit ein Kernthema von Luc Wolffs diskretem und zugleich ausdrucksstarkem Werk.