Germknödel-Drive-in? Vielleicht. Jedenfalls: Masken in der Gondel, Passagierbeschränkungen, keine Schnee-Bars. Der Skizirkus wird in Österreich anders aussehen in diesem Winter, aber es wird ihn geben. Noch liegt das Land im quasi-harten Lockdown. Ein erster Schritt mit leichteren Einschränkungen Anfang November hat nicht viel gebracht, die Zahlen stiegen seit Herbstbeginn weiter beängstigend an, ein massiver Einschnitt wurde nötig, zum zweiten Mal nach dem Frühjahr: Ausgangsbeschränkungen, die Schulen geschlossen, Arbeit nach Möglichkeit im Homeoffice, die Läden zu außer Lebensmittel, Apotheken, Zeitungstrafiken und Waffengeschäften (Letztere, weil in der Jagdsaison das Nachladen von Munition zur Berufsausübung gehört, wurde argumentiert. Buchläden dagegen dürfen nicht einmal Abholstationen einrichten).
Das Christkind wird Lockerungen bringen, hat das Pressekonferenz-erprobte Regierungsteam jetzt ganz frisch in Aussicht gestellt. Ab 24. Dezember sind Einzelsportarten wieder erlaubt, die Menschen in Österreich dürfen wieder auf die Piste und die ersten Liftbetreiber haben angekündigt, dann die Anlagen wieder anzuschalten. „Ischgl“, das Schreckgespenst des vergangenen Winters, der Inbegriff für vorsätzliche Sorglosigkeit angesichts erkennbaren Infektionsgeschehens, scheint aus dem Gedächtnis radiert.
Zwar ist Après-Ski verboten und zunächst richten sich die Angebote an Tagestourist/innen, denn auch Hotellerie und Gastronomie müssen bis mindestens 7. Januar, also nach den österreichischen Weihnachtsferien, geschlossen bleiben. Doch während die Staatsanwaltschaft Innsbruck die Rolle des „Ibiza der Alpen“ im März bei der Verbreitung des Coronavirus über den europäischen Kontinent und darüber hinaus untersucht (Der Spiegel geht in einer Recherche von 11 000 Infektionen in 26 europäischen und außereuropäischen Ländern aus) und inwiefern dabei eine „Gefährdung durch ansteckende Krankheiten“ bestand, übt sich Tourismusministerin Elisabeth Köstinger in Angriffslust.
Als Italien zuletzt vorschlug, die alpinen Skigebiete gänzlich pausieren zu lassen und Deutschland sich der Idee anschloss, zeigte Köstinger den Nachbarn die kalte Schulter. Kein Land könne einem anderen Vorschriften machen, erklärte sie in einem Interview. „Wir würden ja auch nie den Vorschlag liefern, dass man in Deutschland beispielsweise die Schulen schließen soll oder Friseurbetriebe. Das muss schon jedes Land für sich selbst entscheiden.“ Die Idee, mit länderübergreifenden Maßnahmen besser durch die Krise zu kommen, kommt in der in Kurz-Türkis angepinselten Volkspartei mit ihrer wenig europaorientierten Grundhaltung nicht vor. Für die österreichische Stimmungslage aber hat die Ministerin viel Verständnis: „Dieses Jahr hat allen wirklich extrem viel abverlangt. Österreich ist einfach auch das perfekte Skifahrerland. Viele wollen mal wieder rauskommen aus der Stadt, wollen sich erholen, wollen Sport machen – und Skipisten sind sicher.“
Was dagegen ganz und gar nicht sicher ist, der Rhetorik der Kurz-Regierung folgend, ist das Ausland. Scharfe Einreisebestimmungen legen fest, dass alle, die aus einem Land mit einer 14-Tages-Inzidenz von mehr als 100 Neuinfektionen nach Österreich einreisen (das sind alle Nachbarländer, Österreich selbst liegt derzeit bei einem Wert von mehr als 300), zehn Tage in Quarantäne müssen. Ganz offensichtlich will die Regierung Reiseaktivitäten zu Weihnachten und Neujahr vermeiden. Kanzler Kurz erklärt, warum: Seine eigenwillige Interpretation des Infektionsverlaufs in Österreich beschreibt, dass das Land sehr gut durch die erste Welle gekommen sei, das Virus dann aber im Sommer durch Rückkehrer aus Urlaubsländern „wieder eingeschleppt“ worden sei. Und ganz klar gemeint sind dabei die Balkanstaaten und die Türkei, wo ein beträchtlicher Anteil der österreichischen Bevölkerung seine Wurzeln hat.
Und schon sind Schuldige dafür gefunden, dass die Covid-Situation in Österreich im Lauf des Spätsommers und des Herbstes außer Kontrolle geraten ist. Die Auslastungszahlen der Krankenhäuser und Intensivstationen, die deutliche Übersterblichkeit ab Oktober und die Situation in vielen Pflegewohnhäusern sprechen eine eindeutige Sprache. Evidenz dafür, dass die Gründe im Urlaubsverhalten der Migrant/innen liegen, sehen Epidemiologinnen und Public-Health-Experten im Gegensatz zum Kanzler jedoch nicht.
Wenn Ministerin Köstinger nun kantig erklärt, Österreich habe sich bereits im Sommer ein Konzept überlegt, um sicheren Wintertourismus möglich zu machen, sagt sie damit auch, was im Sommer nicht passiert ist: kein Konzept für sichere Schulen und Prävention im Pflegebereich, generell: kein über das touristische Sommergeschäft hinausgehender Plan zum Umgang mit dem Virus angesichts des zu erwartenden Anstiegs des Infektionsgeschehens mit der kalten Jahreszeit. „Licht am Ende des Tunnels“ verhieß Kanzler Kurz, die Zügel wurden locker über die Sommermonate und die gefühlte Dringlichkeit der Maßnahmen verschwand. In der Bevölkerung reifte die Annahme, es sei alles überstanden. Bis die „Balkan-Rückkehrer“ die überwunden geglaubte Gefahr „wiedereinschleppten“.
In solchen Schuldzuweisungen und hinter Aktionismus versucht Kanzler Kurz nun seine Versäumnisse in Sachen Krisenmanagement zu verbergen. Massentests sollen helfen, verborgene Fälle aufzuspüren, die Corona-App wird verzweifelt wieder beworben. Milliarden werden freigemacht, um Umsätze im Handel zu ersetzen, auch für die Kultur- und Veranstaltungsbranche, die mit eigenen Konzepten verhindert hat, während der lockeren Monate zu einem Infektionsherd zu werden, soll nun etwas abfallen. Den Vorsprung, den Österreich im Frühjahr mit schneller, harter Reaktion erreichte, hat die Regierung nicht genutzt.