Hans Peter Doskozil kann es noch: Gewinnen. Der hemdsärmlig wirkende Vollblut-Politiker, Landeshauptmann des kleinsten österreichischen Bundeslandes, gelernter Polizist, studierter Jurist, macht seinen Genossen in Österreich vor, wie Siegen geht: Man besetze linke Kernthemen (Bildung, Soziales, Arbeit), treffe klare Aussagen und schrecke nicht davor zurück, strittige Themen auch gegen die Mehrheitshaltung der Partei anzuschneiden. Des weiteren hilfreich ist ein Hang zum Kumpelhaft-Populären.
Am Sonntag, 26. Januar jedenfalls beendete der 49-Jährige mit einem überwältigenden Sieg bei der Landtagswahl die lange Talfahrt der österreichischen Sozialdemokratie, die in den vorangegangenen Urnengängen in Bund und Ländern fast durchgehend abgestürzt war. Mehr noch, Doskozil holte die absolute Mehrheit im seinem Bundesland und kann nun ohne Koalitionspartner regieren. So groß der Jubel, so fraglich ist aber doch, ob die sozialdemokratische Glücksstunde im Burgenland schon als Trendwende für die Partei oder als Signal für die wichtige Wahl in Wien im kommenden Herbst angesehen werden kann.
Denn einige burgenländische Spezifika sind schwerlich umzulegen: Das bevölkerungsmäßig kleinste Bundesland im Osten Österreichs, das lange im Windschatten der Entwicklung lag und erst mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und mit viel EU-Förderung allmählich aus der Rückständigkeit herausfand, hat eine lange rote Tradition, die der Partei eine starke Kernwählerschaft sichert –allerdings eher am rechten Flügel der Partei anzusiedeln. Als Gegenspieler fungiert in der roten Hochburg nicht so sehr die konservative ÖVP denn die Freiheitlichen.
Doskozils Vorgänger Hans Niessl holte nach den Landtagswahlen 2015 den Rivalen FPÖ in die Landesregierung und brachte damit einen tiefen Riss in die Bundespartei, die sich wiederholt gegen einen Pakt mit den Blauen ausgesprochen hatte. Im Zuge der Ibiza-Affäre, die die FPÖ von der Regierung in Wien bis in die kleinste Ortsgruppe erschütterte, rief Doskozil vorgezogene Wahlen aus und holte enttäuschte Freiheitliche in sein Lager. Die geringen Berührungsängste gegenüber den Blauen machte den Burgenländer zu einer umstrittenen Figur in der österreichischen Sozialdemokratie, vor allem, wenn es ums Thema Sicherheit ging.
Und das ist eines seiner Kernthemen seit seinem Wechsel in die Politik. Doskozil war 2015, als die große Flüchtlingswelle vom Nachbarland Ungarn aus über das Burgenland ganz Österreich erreichte, burgenländischer Landespolizeidirektor und profilierte sich – zum Beispiel beim Fund von 71 Leichen in einem Kühltransporter – als souveräner Krisenmanager. Daraufhin avancierte er zum Verteidigungsminister und vertrat immer wieder Positionen, die konträr zum roten Mainstream verliefen: Er befürwortete raschere Abschiebungen sowie stärkere Grenzkontrollen und erklärte, Flüchtlingen könne näher am Heimatland besser geholfen werden.
Auch, als die Vorgängerregierung in Wien eine Sicherheitshaft für „Gefährder“ einführen wollte, stimmte er nicht in die rote Kritik ein, sondern stellte die Frage, ob diese wirklich nur unter den Asylwerbern, nicht auch in der heimischen Bevölkerung, ausgemacht werden sollten. Als nun der türkise Mehrheitspartner in der österreichischen Regierung ankündigte, die Sicherheitshaft wieder aufs Tapet zu bringen, empfahl Doskozil seiner Partei, ihre ablehnende Haltung zu überdenken.
Andererseits hat Doskozil im Sinne deklarierter Sozialdemokratie vieles richtig gemacht: Er hat mit einer klar linken Sozialpolitik Maßstäbe gesetzt, und etwa für drei Millionen Euro einen Mindestlohn von 1 700 Euro netto für Bedienstete des Landes durchgesetzt. Noch vor der Wahl. Das Programm soll nun ausgeweitet werden, künftig sollen auch vom Land abhängige Gesellschaften den Mindestlohn auszahlen. Zum anderen wurde gesetzlich verankert, dass Behinderten- und Pflegeheime keinen Gewinn machen dürfen. Fünf Millionen ließ sich das Land unter Doskozil zudem ein Modell zur Prävention von Altersarmut kosten, nach dem Familienmitglieder – in der Mehrheit Frauen -, die einen Angehörigen in Vollzeit pflegen, zum Mindestlohn als „Landespflegerinnen“ angestellt wurden: 200 Menschen sollen von diesem Modell profitieren. Und Kinder gehen seit November gratis in den Kindergarten – ebenfalls eine vom Land finanzierte Maßnahme, die Doskozil von konservativer Seite den Vorwurf des Sozial-Populismus einbrachte.
Doskozil selbst ist durchaus überzeugt, dass sein Kurs ein Modell für die Bundes-SPÖ sein kann. Die Sozialdemokratie müsse den Spagat zwischen Sozialthemen und Sicherheitsanliegen schaffen – beides greife ineinander und beschäftige die Menschen, da dürfe es keine Reihung geben. Generell sieht und zeigt sich Doskozil gern als Mann aus dem Volk, der Theorie und Taktiererei mit Misstrauen betrachtet: Ihm sei „wurscht, ob linke Eliten gut finden, was wir tun“. Auch strategische Überlegungen zu Image und Selbstdarstellung schmettert er ab: Als seine Partei nach dem Wahldebakel über ein „neues sozialdemokratisches Narrativ“ debattierte, erklärte er dem liberalen Wiener Standard geradeheraus: „Narrativ! Ich kann das Wort nicht mehr hören!“