Die Tate Modern in London feiert dieses Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Das Museum für zeitgenössische Kunsthat mit spektakulären Ausstellungen und neuen kuratorischen Ansätzen ein breites Publikum begeistert. Doch soziale Medien, Finanzierungsschwierigkeiten und Großbritanniens EU-Austritt stellen das Museum vor neue Herausforderungen.
In der Turbinenhalle der Tate Modern ist eine alte Bekannte zu Besuch. Mit ihren langen, schwarzen Beinen ragt die neun Meter hohe Spinne über den Köpfen der Besucher/innen. Es handelt sich um Maman, eine Skulptur von Louise Bourgeois, mit der die Tate Modern im Jahr 2000 ihre Türen öffnete. Die stählerne Spinne ist eines von 25 Schlüsselwerken, die zum Jubiläum wieder im Museum zu sehen sind.
Mit dabei sind Kunstwerke wie Salvador Dalis Lobster Phone, Marcel Duchamps Fountain und Eine kleine Nachtmusik von Dorothea Tanning. Der Eintritt ist wie immer frei, die Werke sind wie gewohnt thematisch kuratiert. Dies galt 2000 als innovativ, ärgerte jedoch manche Besucher, die sich vor allem für etablierte Künstler/innen interessierten.
Die Auftrags-Kunstwerke für die 35 Meter hohe Turbinenhalle machten die Tate Modern weltberühmt. Weather Project von Olafur Eliasson tauchte mit seiner künstlichen Sonne die Halle in ein endloses Abendrot. Besucher räkelten sich auf dem glatten Betonboden, es fanden Yoga-Kurse und Lesungen unter dem künstlichen Sonnenuntergang statt. Die BBC zeichnete in der Halle sogar die Wettervorhersage auf, sodass Millionen von Menschen das Kunstwerk im Fernsehen sahen.
Mit dem I-Phone und den ersten Social-Media-Plattformen änderte sich auch die Kommunikationsstrategie des Museums. „Ai Weiwei kommt bald..., macht euch bereit für einen neuen Auftrag in der Turbinenhalle!“, kündigte das Museum im Oktober 2010 auf Twitter an, zwei Tage vor der Eröffnung von Sunflower Seeds, dem Werk des chinesischen Künstlers und Dissidenten Ai Weiwei, der die Turbinenhalle mit Millionen von handgefertigten Sonnenblumenkernen aus Porzellan füllte. Kunstliebhaber können nun ihre eigenen Fotos und Eindrücke in die Welt schicken.
Die Tate Modern entwickelte sich zum weltweit meistbesuchten Museum für zeitgenössische Kunst und etablierte sich als Top-Sehenswürdigkeit Londons. Vor dem Umbau des Kraftwerks war Southwark noch ein weitgehend unbekannter Stadtteil. Das Museum lud Londons Taxifahrer vor der Eröffnung zu einer exklusiven Besichtigung ein. So waren die „Cabbies“ mit dem neuen Ziel vertraut und konnten Touristen einen Besuch in den neuen Galerien empfehlen. Zwei Monate nach der Eröffnung der Tate Modern wurde auch die Millennium Bridge eröffnet. Das neue Museum war nun einen kurzen Spaziergang von der St. Paul Kathedrale entfernt und der Stadtteil südlich der Themse entwickelte sich schnell zum hippen Viertel.
Heute prägen bildbasierte Netzwerke wie Instagram und TikTok sowohl die Kommunikation als auch die Art und Weise, wie Kunst erlebt wird. Museen richten ihr Angebot zunehmend auf ein Publikum aus, das mit sozialen Medien aufgewachsen ist. „Immersive Art“ ist sehr beliebt: Kunstwerke, die in großflächigen Videoprojektionen zum digitalen Leben erweckt werden und so den perfekten Selfie-Hintergrund bieten. Diese kommerziellen Anbieter setzen auf Spektakel, bieten jedoch anders als die Tate zum Beispiel keine Bildungsprogramme und Workshops für Kinder an.
Um jüngere Besucher zu erreichen, wirbt die Tate in sozialen Medien mit Hilfe von Influencern. Ihnen werden zum Beispiel exklusive Vorschauen und Touren angeboten, erklärte eine ehemalige Social-Media-Managerin der Tate vergangenes Jahr im Interview mit The Art Newspaper. Wer Influencer einlädt, kann sich auf „Content“ verlassen. „Es ist eine Win-Win-Situation: Sie erhalten exklusiven Zugang zu den Räumlichkeiten (...) und wir erhöhen die Reichweite der Ausstellung am Eröffnungstag um bis zu zwei Millionen,“ sagt die ehemalige Social-Media- Managerin.
Trotz dieser Bemühungen ist die Zahl der Besucher der Tate Modern noch immer um 25 Prozent niedriger als im Rekordjahr 2019. Besonders junge Europäer im Alter von 16 bis 24 blieben aus, sagte Maria Balshaw, Direktorin der Tate Modern, dem Art Newspaper. Der Brexit habe die Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten dieser Altersgruppe verändert. „Sie reisen generell auch weniger“, so die Direktorin. Um die Verluste auszugleichen, musste die Tate, die auch Museen in Liverpool und S.t Ives betreibt, rund sieben Prozent seines Personals entlassen.
Trotz Finanzierungsschwierigkeiten bleibt die Tate Modern ein unumgänglicher Ort für Kunstliebhaber. Das zeigte auch das Geburtstagswochenende, an dem 76 000 Besucher/innen den Weg in die Tate Modern fanden, um an Vorträgen, Konzerten und DJ-Sets teilzunehmen. „Das ist doppelt so viel, wie wir normalerweise für eine solche Veranstaltung erwarten würden“, erklärt Maria Balshaw.