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d'Lëtzebuerger Land vom 08.11.2024

Dunkelhäutige queere Menschen haben in den letzten Jahrzehnten in Großbritannien trotz Rassismus und Homophobie eine dynamische, kreative Gemeinschaft aufgebaut. Making a Rukus! im Londoner Somerset House bietet Einblicke in Europas größtes Archiv für Schwarze LGBTQIA+ Kultur, das von Widerstandsfähigkeit, Lebensfreude und Do-it-yourself Ethos geprägt ist.

Wenn Banken und Kaufhausketten in Großbritannien im Sommer mit Regenbogenfahnen ihre Toleranz verkünden, könnte man annehmen, dass es um Rechte und Sicherheit für queere Menschen hier ganz gut steht. Doch Pride Month ist eben nur einen Monat, und noch lange nicht alle in der
LGBTQIA+ Gemeinschaft sind gleichgestellt. Schwule, Lesben, Bisexuelle und vor allem transgeschlechtliche Menschen, die eine dunkle Hautfarbe haben, erleben noch immer eine doppelte Diskriminierung – den Rassismus der Briten, deren queerer Aktivismus immer noch sehr weiß ist, und die Homophobie der Gemeinschaften, die starke Verbindungen mit Großbritanniens früheren Kolonien haben. Hier handelt es sich um die karibischen Staaten der West Indies, deren Homophobie – vor allem in Jamaika – ein hartnäckiges Überbleibsel der früheren britischen Herrschaft ist.

„Wenn in Medien über Probleme berichtet wurde, die schwarze Menschen in Großbritannien betreffen, wurden queere Menschen nicht mit einbegriffen. Und wenn weiße Schwule und Lesben sich für die Belange der queeren Gemeinschaften einsetzten, wurde die schwarze LGBTQIA+ Gemeinschaft ignoriert“, beschreibt es Topher Campbell, Filmemacher und Kurator der Ausstellung. Zur gleichen Zeit blühte eine vielseitige, verspielte und zuversichtliche Black LGBTQIA+ Szene auf, die jedoch ohne Repräsentation am Rande der britischen Gesellschaft existierte.

Zusammen mit dem Fotografen Ajamu X gründete er 2000 die Rukus-Foundation in Brixton, im Süden Londons. Das Ziel dieses Projekts war es, sich „gegen Konventionen von Rasse und Sexualität zu stellen und Platz einzunehmen, ohne um Erlaubnis zu fragen“. Die Beiden wurden so zum Zentrum einer kreativen Gemeinschaft, die ihre eigene kulturelle Szene schaffte und in den Nuller Jahren Filme, Ausstellungen und nationale und internationale Veranstaltungen produzierte.

„Making a ruckus“ heißt im jamaikanischen Englisch, „eine Szene machen“ oder „Lärm machen“. Die Foundation ist allerdings auch nach einem afro-amerikanischen Pornodarsteller namens Ruckus benannt, was auf die sex-positive Einstellung der Foundation hinweist. Lust und Liebe wird mit viel Humor in der Ausstellung thematisiert. So sieht man Flugblätter für ein Event in 1990 für „scharfe lesbische Unterhaltung“, mit dem Namen „Hot Pepper and Masala“. Kleine, fotokopierte Karten laden zum „Black Perverts Network“ ein, eine Sexparty, deren Standorte „aus Sicherheitsgründen“ erst eine Stunde vor der Veranstaltung verkündet wurden. Bei einem Event namens „Breakfast Club“ ging es ein bisschen gezähmter zu: Hier trafen sich schwule schwarze Männer in heimischen Stuben, um über Bücher, Filme und Ideen zu diskutieren. Gäste sollten bitte Essen und Getränke mitbringen, um sie mit allen Anwesenden zu teilen, so das Flugblatt.

Diese gesammelten alten Papiere gewähren Einblicke in ein Leben, in dem sogar Freundschaft und sozialer Austausch hinter geschlossenen Türen stattfinden musste. Ein solches Leben ist in den meisten westlichen Ländern heute unvorstellbar. Die Ausstellung zeugt auch von der Widerstandsfähigkeit und Kreativität der LGBTQIA+ Gemeinschaft, die trotz Vorurteilen und Hass Wege fand, ein queeres Leben zu gestalten. „Wir müssen uns selbst in die Geschichte einschreiben“, wird die amerikanische Dichterin und Aktivistin Audre Lorde zitiert.

Der Kampf für Gleichberechtigung und Sicherheit zieht sich durch die ganze Ausstellung, genau wie er auch immer Teil des queeren Lebens gewesen ist. In den Neunzigern gründeten einige Aktivisten die Gruppe Black Lesbians and Gays Against Media Homophobia (BLGAMH), nachdem ein jamaikanischer Dancehall Sänger homophobe Songtexte in einer Jugendsendung des britischen Senders Channel 4 sang. Auch kritisieren sie The Voice, eine afrikanisch-karibische Zeitung, wegen rassistischer und homophober Artikel. Im Jahr 1998 widmete die Zeitung zum Beispiel dem Direktor der Evangelical Alliance eine Doppelseite, der sich zwar für den „Schmerz“ entschuldigt, den seine Organisation der queeren Gemeinschaft angetan hat, aber im gleichen Satz wiederholt, dass Schwule und Lesben Sünder seien, die hoffentlich bald erkennen, „dass sie auf dem Irrweg sind“. Dies ist einer der unzähligen Zeitungsausschnitte der Rukus-Sammlung, die in den London Archives lebt.

Diese Dokumentation, deren älteste Objekte aus den 70-er Jahren stammen, wird weiterhin aktualisiert, denn an Material fehlt es nicht. „Schwul in Jamaika zu sein, heißt tot zu sein“, verkündet eine Titelseite des Guardian G2 Magazins in fetter Druckschrift. Die Reportage stammt aus dem Jahr 2006. Noch immer leben queere Menschen in Jamaika, der früheren britischen Kolonie, in Gefahr, und Vorurteile bleiben in der britischen afro-karibischen Gesellschaft bestehen.

Nach dem Archivmaterial geht man am Logo der Foundation vorbei, das einen muskulösen, nackten Mann in Hochstiefel und mit nicht zu übersehender Erektion zeigt. Die Zeichnung des afroamerikanischen Karikaturisten Belasco hat es nun also von kleiner, fotokopierter Darstellung auf Flugblättern auf die Wand einer der prestigeträchtigsten kulturellen Institutionen Großbritanniens geschafft. In einem weiteren Raum hat der Künstler Evan Ifekoya eine Installation eines Nachtclubs errichtet, der oft als Ort der Freiheit und Sicherheit für queere Menschen gilt. Clubbing ist auch ein politischer Akt, wenn man zu Musik tanzt, die in weißen Clubs verboten ist, in einem der wenigen Clubs, die überhaupt für Schwarze Events gebucht werden konnten.

Das Ambiente einer überfüllten, schweißigen Tanzfläche kommt jedoch nur schwer rüber in dem Raum, der zwar in farbige Lichter gebadet ist, aber sonst etwas leer wirkt. Michael McMillans Interpretation eines typischen Wohnzimmers einer afro-karibischen Familie in den 70-ern ist hingegen sehr effektiv. Auf dem Bildschirm des TV-Sets, das vor einer bequemen Familencouch steht, läuft die erste nationale Gay Men’s conference von 1987. Auf dem Bücherregal des Wohnzimmers steht neben den Büchern auch ein Dildo. Das Bürgerliche wird durch queere Ideen und Gegenstände aufgemischt.

Auch wenn Diskriminierung, Gewalt und gesundheitliche Gefahren wie Aids thematisiert werden, hinterlässt Making a Rukus! jedoch ein Gefühl von Freude und Hoffnung – Eigenschaften, die queere Menschen auch in den dunkelsten Stunden immer aufrechterhalten haben. Die Schwarze LGBTQIA+ Gemeinschaft sei keine getrennte Einheit, denn „ihre Geschichte ist immer auch die Geschichte von jemandes Bruder, Tochter, Sohn oder Schwester“, erinnert eine Tafel am Ende der Ausstellung, bevor Besucher wieder in die heteronormative Welt zurückkehren.

Making a Rukus! Black Queer Histories Through Love and Resistance ist noch bis zum 19. Januar im Somerset House in London zu sehen

Claire Barthelemy
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