Es war eine Nachricht, auf die Oasis Fans seit Jahren gewartet haben: Die Band um Liam und Noel Gallagher ist zurück. Nach 15 Jahren Streit haben die Brüder angeblich das Kriegsbeil begraben und eine World Tour angekündigt. Erste Konzerte sind für nächsten Sommer in Großbritannien und Irland geplant, weitere internationale Termine werden folgen.
Wohl keine andere britische Band hat die 90-er so geprägt wie Oasis. Definitely Maybe, das erste Album der Gruppe, wurde 1994 zum damals meistverkauften Debütalbum in Großbritannien. Mit kommerziellen Hits wie Rock’n Roll Star, Live Forever, Supersonic und Cigarettes & Alcohol kann man das Album fast schon als Best of der Band einstufen. Der größte Ohrwurm ist allerdings ohne Zweifel Wonderwall vom zweiten Album What’s the Story (Morning Glory) - ein Song, bei dem alle mitsingen können, ob jung oder alt, Rockfan oder Fußballfanatiker.
Die Band wurde 1991 in Manchester von Liam Gallagher, Paul „Bonehead“ Arthurs, Paul „Guigsy“ McGuigan und Tony McCarroll gegründet – Noel Gallagher gesellte sich kurz danach dazu. Die Lieder von Oasis handeln von Wirklichkeitsflucht, vom Trinken und Feiern, und vom Traum, Rockstar zu sein. Es war ein Sound, der den amerikanischen Grunge ablöste. Oasis brachte wieder Optimismus, Selbstvertrauen und auch eine gute Prise Arroganz in den internationalen Rock. Diese Stimmungsschwankung von Melancholie auf Euphorie hatte Manchester bereits auf lokaler Ebene erlebt.
Denn nach der düsteren, introvertierten Musik von The Smiths und Joy Division kam es Ende der Achtziger in Manchester zum „Second Summer of Love“. Bunt gekleidete Menschen tanzten zu Acid House die Nacht durch, oft euphorisch aufgeputscht durch Ecstasy, der neuen synthetischen Droge. Die Rave-Szene machte auch Eindruck auf Rockmusiker, die anfingen, mit Synthesizern und Beats zu experimentieren. Manchester wurde zum innovativen Kern der britischen Musik – „Madchester“ nannte man die Zeit Ende Achtziger und Anfang Neunziger, in der Post-Punk und Electronica miteinander verschmolzen und alles möglich zu sein schien. Bands wie Inspiral Carpets, New Order, The Stone Roses und Happy Mondays schafften den internationalen Durchbruch.
Elektronische Musik entwickelte sich in den 90-ern schnell weiter. The Chemical Brothers (auch von Manchester) und The Prodigy brachten breakbeats in die Charts. Gleichzeitig überrollte die Lawine des Britpops die Welt der Gitarrenmusik - dank Oasis blieb Manchester weiterhin Zentrum des britischen Rocks. Im unendlichen Krieg mit der Band Blur wurde die bescheidene Herkunft der Gallagher Brüder gerne romantisiert. Damon Albarn und seine Band waren nette Kunststudenten aus dem reichen Süden, die Gallaghers waren arbeitslose Rüpel aus dem heruntergekommenen Norden - selten sah man sie ohne Zigaretten und Bierdosen, auch heute noch fluchen die beiden wie Bierkutscher. Als lautstarke Manchester City Fans konnten sie auch Fußballbegeisterte zuhause für ihre Musik begeistern - Wonderwall wird immer noch gerne von Fans und auch von Spielern des Teams gesungen.
Ob Elektro, Rock, oder eine Mischung von beiden - die Musikszene in den 90ern rettete Manchester aus dem postindustriellen Niedergang. Die Metropole gilt als eine der weltweit ersten industrialisierten Städte. Man nannte sie „Cottonopolis“, da sie im 19. Jahrhundert Zentrum des Baumwollhandels war. Doch nach dem Verfall der Industrie erlebte Manchester Arbeitslosigkeit und Armut. Die Stadt ist immer noch sehr vom industriellen Look der Vergangenheit geprägt. In den Viktorianischen Lagerhallen findet man heute jedoch hippe Märkte, Bars und Restaurants.
So zum Beispiel Afflecks, ein vierstöckiger Indoor-Markt im hippen Northern Quarter, der als Shopping-Mekka für Subkulturen gilt. In der Labyrinth-artigen Struktur bieten rund 60 unabhängige Händler Vintage-Klamotten, Bandshirts, Piercings und handgemachten Schmuck an. Geschäftsinhaber hoffen, dass die Ankündigung der Oasis-Tour die Begeisterung für Manchesters gesamtes musikalisches Erbe noch einmal aufleben wird. Bei Panic Posters, einem Laden auf dem ersten Stock, sind Poster von Liam Gallaghers Definitely Maybe-Jubiläumstour und von Noel Gallaghers Band High Flying Birds prominent ausgestellt. „Die haben letztens nachbestellt, weil es nun eine größere Anfrage gibt“, erklärt Tom, ein Verkäufer.
Im Shop gibt es ein Kabinett mit Erinnerungsstücken von den Großen der Rockszene von Manchester. Hinter der Vitrine kuckt einem Liam mit müden Augen auf einem Poster entgegen, und auch T-Shirts und Badges von Bands wie The Stone Roses und The Smiths liegen hinter dem Glas. „Das ist unser Schrein“, erklärt J.B., ein anderer Angestellter von Panic Posters. „Das Kabinett hatten wir schon länger im Laden, weil die Leute diese Bands mögen, doch jetzt verkaufen wir mehr von dem Zeug.“ Und sie sind nicht die einzigen: Tom zeigt auf das Ladenfenster vom Tattoo und Piercing Studio nebenan, wo T-Shirts von Oasis hängen. Einer hat als Motiv ein Fußballfeld, auf dem der Name der Band steht. „Die haben diese Shirts auch erst vor Kurzem reingehangen,“ so Tom.
Er selbst ist kein Fan der Band – „Ich kann die Musik nicht ertragen“, lacht er - aber er versteht, wieso sie auch zuhause so erfolgreich ist. „Ich bin in einer benachteiligten Gegend zur Schule gegangen, ähnlich wie die Gallagher Brüder. Die Leute dort fühlen sich Oasis sehr verbunden“, so Tom. „Wenn du Liam siehst, sieht er immer total rau aus, sogar auf den Werbefotos für die neue Tour. Die Menschen mögen das.“
Viele Rockfans besuchen Manchester, umprägende Orte ihrer Lieblingsbands zu besuchen, wie zum Beispiel den Salford Lads Club, der als Hintergrund eines bekannten Fotos von The Smiths diente. Etliche Touranbieter versprechen Musik-Rundgänge, vorbei an den wichtigsten Orten der Musikszene der 80-er und 90-er. Dies ist ein Angebot für eingefleischte Fans, denn unbedingt malerisch sind die Rundfahrten in der ehemaligen Arbeiterstadt nicht. The Haçienda, ein legendärer Club der „Madchester“-Jahre, sowie der Hauptsitz des Plattenlabels Factory Records, das Bands wie New Order, Joy Division und Happy Mondays vertrat, wurden umgebaut und unterscheiden sich nicht wirklich von anderen braunen Ziegelbauten der postindustriellen Stadt. Der ungeschliffene Look ist jedoch Teil des Charmes von Manchester und für Fans, die von weither kommen, ist er wohl auch ein bisschen exotisch.
„Als Liam Konzerte hier in Manchester gab, kam eine Gruppe Freunde aus Los Angeles in unseren Laden. Die waren vier Tage hier, nur wegen dem Konzert“, erinnert sich Andy, Angestellter von Vinyl Revival, einem Plattenladen im Northern Quarter. „Die hatten während ihres ganzen Aufenthaltes Jetlag“, lacht er. Auch Tom von Panic Posters hat viele internationale Kunden. „Wir hatten letztens Kunden aus Brasilien, die für rund £150 Pfund Fanartikel von Oasis und den Smiths kauften. Diese Sachen findet man in Brasilien angeblich nicht leicht.“
Doch natürlich hat sich seit den wilden Jahren von „Madchester“ vieles verändert. Die Metropole ist im Umschwung und gilt als eine der am schnellsten wachsende Städte in Europa. Auch die Musikindustrie kann man nicht mehr mit den Realitäten der 90-er vergleichen. Neil, Geschäftsinhaber von Clampdown Records, einem Plattenladen in Piccadilly, wird nächstes Jahr nicht zu den Oasis Konzerten in Manchester gehen. „Die Ticketpreise haben mich ziemlich bedrückt“, gesteht er. Oasis und Ticketmaster wurden in der Tat stark kritisiert, als die Preise der Karten plötzlich anstiegen, während Fans online Schlange standen. „Dynamic Pricing“, nannte Ticketmaster diese Taktik. Wer Karten unter 100 Pfund ergatterte, konnte sich glücklich schätzen. Ob die Band allein wegen des Geldes wieder zusammengefunden hat? „Der Zyniker in mir glaubt das, ja“, so Neil. Die Gallagher Brüder sollen für die angekündigten Konzerte in Großbritannien und Irland zusammen geschätzt rund 100 Millionen Pfund kassieren. Doch auch für Manchester wird sich das Oasis Comeback lohnen. Neil hat ebenfalls Fanartikel nachbestellt und T-Shirts der Band in sein Schaufenster gehängt. Oasis Platten hatte er jedoch auch vor der Ankündigung der Tour immer auf Lager. Denn hier in Manchester, so sagt er, „verkaufen sich Oasis Sachen immer sehr gut.“