Mit Strukturreformen stellt sich die inoffizielle Staatskirche auf ihre Privatisierung durch die liberale Regierung ein

Das Bistum backt kleinere Brötchen

Seit Mai sind die 275 Pfarreien in allen Dörfern und Stadtteilen zu landesweit 33 Riesenpfarreien zusammengestrichen
Foto: Jessica Theis
d'Lëtzebuerger Land vom 07.07.2017

„Sie wissen, dass der Chef dieser Abteilung aus dem Quebec kommt und von daher eine Erfahrung mitbringt, die schon geprägt ist von der Säkularisierung“, freute sich Theologieprofessor Jean Ehret am Mittwoch, als er über die Aktivitäten der Abteilung „Religion, Kommunikation, Erziehung“ am Priesterseminar berichtete, das seit zwei Jahren modisch „Luxembourg School of Religion & Society“ heißt.

Auch 2016 ging die Verweltlichung weiter. Während die Bevölkerungszahl rapide wächst, nahm die Zahl der katholischen Taufen, Kommunionen, Firmungen und Begräbnisse weiter ab. Nur die sich erratisch entwickelnde Zahl der katholischen Trauungen nahm wieder absolut und im Verhältnis zur Summe aller Eheschließungen zu. Die Zahl der Kleriker ist von 98 um fünf auf 103 Mann gestiegen, die im oder nahe am Rentenalter sind, auf den Stand von 2013.

Erfahrung mit der Säkularisierung der Gesellschaft ist im Erzbistum höchst willkommen. Denn während Jahrzehnten sah die inoffizielle Staatskirche die Säkularisierung als einen schleichenden Prozess, auf den sie bei Bedarf mit der Zusammenlegung zu Pfarrverbänden und der Aushilfe durch Laien reagierte. Aber sonst machte sie sich selbst vor, dass sie gerade eine Durstphase erleide, während der sie mit Unterstützung der CSV durchhalten müsse, bis es wieder einmal bergauf gehe. Die ganze Debatte war schließlich schon ausgiebig Ende des 19. Jahrhunderts geführt worden

Doch unter der 2013 angetretenen liberalen Koalition, der Aushandlung einer neuen Konvention über das Verhältnis von Staat und Kirche, begann das Bistum, die Säkularisierung als Bruch zu empfinden. Auch wenn es bis heute lautstark darüber streitet, ob es für den Erhalt der staatlichen Zuschüsse kämpfen oder die Chance nutzen soll, um sich in Armut zu üben und sich selbstständig vom Staat zu machen. Bei der Vorstellung der Bistumsbilanz musste Generavikar Leo Wagener am Mittwoch einräumen, dass der Verein der Kirchenfabriken Syfel seine Ankündigung, die Gerichtsklage gegen Erzbischof Jean-Claude Hollerich zurückzuziehen, nicht wahrgemacht habe, das Gerichtsverfahren finde wohl statt, die Rechtsanwälte bereiteten gerade ihre Akten vor.

Da selbst die CSV nicht versprechen will, nach einer Wiederwahl die von DP, LSAP und Grünen beschlossene Privatisierung der inoffiziellen Staatskirche rückgängig zu machen, hat das Erzbistum sich darauf eingestellt, kleinere Brötchen zu backen. Nach dem Regierungswechsel und noch vor Unterzeichnung einer neuen Konvention mit dem Staat begann es im Jahr 2014, eine Reform seiner seit dem Mittelalter entstandenen und in napoleonischer Zeit festgeschriebenen Territorialorganisation in Angriff zu nehmen. Sie trat am 7. Mai dieses Jahres in Kraft trat und gereichte selbst der Systematisierung Rumäniens unter Nicolae Ceaușescu zur Ehre: Weil viele Kirchen leer bleiben und die Zahl der Priester nicht einmal mehr reicht, um die 57 Pfarrverbände zu betreuen, wurden die 275 Pfarreien in allen Dörfern und Stadtteilen zu landesweit 33 Riesenpfarreien mit neuen Fantasienamen zusammengestrichen. Sie reichen nun von Ëlwen-­Wäis­wampech Saint-François im Norden bis Käldall Notre-Dame des Mineurs im Süden und von Regioun Iechternach Saint-Willibrod im Osten bis Rammerech Saint-Valentin im Westen.

Die neuen Pfarreien standen in 47 lokalen Veranstaltungen zur Diskussion, zu der alle Pfarrmitglieder eingeladen worden waren. Das Erzbistum meldete am Ende insgesamt 1 200 Teilnehmer. Vielleicht ist das die ungefähre Zahl der aktiven Gläubigen.

Zum Schulbeginn vergangenes Jahr wurden Religions- und Moralunterricht in den Sekundarschulen zusammengelegt, im Herbst dieses Jahres sollen die Grundschulen folgen. Damit ist der Religionsunterricht nicht vollends aus den Schulen verschwunden, aber er kommt dem Erzbistum doch zu kurz. Deshalb wirbt es ab dem Herbst für ein verstärktes „katechetisches Angebot“ in den 33 neuen Pfarreien. Damit Schulkinder aus gläubigem Haus zwischen Tennis und Pfadfindern „lernen und entdecken, was es heißt, Christ zu sein“, so der Direktor der Pastorale, Patrick de Rond. Das Angebot reiche von „P’tite pasto“ und „Krabbelgottesdienst“ für Kleinkinder und ihre Eltern über Lehrgänge für Grundschüler aus den verschiedenen Zyklen bis zur Katechese für Erwachsene. An sieben Abenden wurden rund 200 Interessenten für die Betreuung dieser Kurse ausgebildet.

Die von der liberalen Koalition angestrebte Privatisierung der Kirche zwingt das Bistum aber auch, Ordnung in seine Finanzen zu bringen. Denn nach großzügigen Übergangsbestimmungen bleiben ihm staatliche Zuschüsse erhalten, aber es entstehen auch neue laufende Ausgaben, insbesondere durch Personalkosten. Zur Bezahlung der Priestergehälter gründete das Erzbistum einen Fonds d’avenir de l’Archidiocèse de Luxembourg. Er erhielt vergangenes Jahr 98 870,02 Euro Spenden und 35 000 Euro aus dem Betriebsgewinn von 4,1 Millionen Euro des Bistums. Das Geld soll von einem Begleitkomitee rentabel angelegt werden.

Die Einnahmen des Erzbistums stammen vor allem aus dem Sankt-Paulus-Verlag und den Immobilienfirmen Lafayette und Maria Rheinsheim. Deshalb war die Sanierung des von der Presse­krise erschütterten Sankt-Paulus-Verlags eine Voraussetzung für die Zukunft der katholischen Seelsorge. Der Erzbischof konnte aufatmen, als das vorübergehend defizitäre Verlagshaus, seit Jahrzehnten die Milchkuh des Erzbistums, mit Sozialplänen und der Beendigung teurer Fehlinvestitionen vergangenes Jahr, genau wie im Vorjahr, 1,65 Millionen Euro Gewinn bilanzierte. Um seine Bilanz zu sanieren, musste das Erzbistum allerdings Immobilien verkaufen, so dass sein Immobilienvermögen seit 2011 um ein Viertel abgenommen hat. Dass das Geschäftsergebnis des seit 2014 wieder rentablen Erzbistums vergangenes Jahr mit 4,1 Millionen Euro eine Millionen niedriger war als 2015, geht vor allem auf außerordentliche Einnahmen durch Immobilienverkäufe im Jahr 2015 zurück. Dafür gingen die Schulden ebenfalls zurück, von 38,8 auf 31,9 Millionen Euro.

Um das Erzbistum zu sanieren, wurden die Personalkosten von 42,4 Millionen Euro im Jahr 2011 auf 34,4 Millionen Euro vergangenes Jahr gesenkt. Und weil das Erzbistum laut der im Sommer vergangenen Jahres Gesetz gewordenen Konven­tion mit dem Staat sein neu eingestelltes Personal selbst bezahlen muss, hatte es bis Ende des Jahres niemand mehr eingestellt.

Durch die von Generalökonom Marc Wagener fortgeführte Gesundschrumpfung ging allerdings auch der Geschäftsumsatz des Erzbistums seit 2011 von 77,7 auf 66,0 Millionen Euro zurück. Doch die Gesellschaftsform des Erzbistums ist unklar, so dass die Konsolidierung der kirchlichen Firmen willkürlich erscheint. Nicht konsolidiert in der Bilanz des Erzbistums sind die als wirtschaftlich autonome Einheiten betrachteten Kirchenfabriken, Ordensgemeinschaften mit Krankenhäusern, Altersheimen, Privatschulen, Internaten, der Wohltätigkeitskonzern Caritas, die Pflegedienstfirma Hëllef doheem, das Priesterseminar und andere.

Das Erzbistum hatte drei Wochen vor den Wahlen 2013 erstmals eine Geschäftsbilanz vorgelegt, um politisch wirksam einen nach dem Regierungswechsel bald bereinigten Verlust auszuweisen. Aber diese Bilanzierung ist nicht ohne Risiken. Denn sie spaltet das Erzbistum in zwei Geschäftsbereiche: eine rentable Verlags- und Immobilienfirma und eine defizitäre Seelsorge, deren Verlust vergangenes Jahr um 778 031,95 Euro gestiegen ist und durch die schrittweise Übernahme der Priestergehälter noch steigen wird. Man kann sich vorstellen, was bei einem nächsten Gewinneinbruch die Unternehmensberater empfehlen werden.

Romain Hilgert
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