Alle würden Glatzen haben und beinlos sein, so was wie Haare und Beine wäre schlicht überflüssig. Nicht mehr gefragt, nicht mehr getragen. Von Robotern würde es nur so wimmeln, Mensch wäre selber quasi einer. „Das Jahr 2000“ lautete der Titel des Aufsatzes, den die Zwölfjährigen Anfang der Sechziger, jenes taufrischen, glorreichen, euphorischen Jahrzehnts, ausbrüteten. Weitere Zukunftsvisionen sind in der Vergangenheit verschollen.
2000, das war so weit weg wie der Mars, wir mussten so eine Art Marsmännchen* sein, dann, Courrèges lieferte immerhin schon mal das Styling. Was heisst. wir? Kaum vorstellbar, dass ich dann zu jenen, denen gehören würde, ich wäre dann ja uralt.
Bis zum Jahr 2000 wird New York untergehen, prophezeite meine Freundin. Wir thronten vor unserm Café Glacé auf der Terrasse des Paris auf der Plëss, unter den von einem linden Wind durchfächelten Platanen. Der Club of Rome hatte das gesagt, und der war ihr Orakel. Mehr als Nostradamus. Sie führte genauer aus, was wo wie versinken würde, wann Amsterdam dran sein würde, wir rätselten wie lang sich das dann hinziehen würde. Bis zum totalen Weltuntergang. In der Zwischenzeit, es war ja erst 1974, bestellten wir noch einen Eiskaffee.
Silvester 2000 ging ich durch die erstaunlich tote Stadt Luxemburg, das Freudenfeuer fand an der falschen Stelle statt, nicht mal die Flugzeuge fielen vom Himmel wie vorhergesehen. Wegen der vorhergesagten globalen totalen Computerpanne. Ich aß eine Pizza bei Pizza-Hut.
Im Jahr 2022 taucht die deutsche Außenministerin ihren großen Zeh ins Meer. Es umspült die Insel Palau, respektlos Urlaubsparadies genannt. Auf den Straßen kleben Menschen, die überall Zeichen sehen. Wenn man ihnen zuhört, kann man sie für Realist*innen halten, die nicht wegschauen. Oder für welche, die vom zu langen Starren in den Abgrund den Verstand verloren haben. Seher*innen.
Wir sind mitten drin in der Zukunft, was ist aus ihr geworden, schon ist sie Vergangenheit? Immer noch gehen wir den Weg allen Fleisches, wie sehr wir es auch stählen und züchtigen und wie nett wir auch zu uns selber sind. Trotz der Tiegel und Töpfe voll Pasten die wir auf uns schmieren, trotz all der Stoffe die wir uns einverleiben damit wir möglichst lang dauern sollen. Trotz der vollmundigen Versprechen der braungebrannten Jogging-Ärzte, die um die Jahrtausendwende ihre blendend weißen Gebisse in einem immerwährenden Smile bleckten. Trotz der Hormone, die in Weibsbild gepumpt wurde, damit sie ewig ein Bild von einem Weib bliebe. Dann gleichberechtigt in Mann, damit er ewig seinen Mann stehen würde. Trotz all dem wackeren Anti-Aging wurde weiter gestorben, ja manche bekamen gar Falten. Man nannte sie zwar nicht mehr Alte.
Vielleicht waren wir nicht aktiv genug. Mal versuchen mit proaktiv. Dann kam ProAging, bisschen klein beigeben vor dem nächsten großen Wurf, dem großen Entwurf.
Gibt es den noch? Inmitten all der Verwerfungen, wäre auch ein gutes Wort des Jahres gewesen. Ja, es gibt ihn noch, es gibt sie noch, die gute alte Zukunft!
Wie wir in 100 Jahren leben werden. Auf so einer Zukunftsseite lese ich Betörendes. Unterwegs sind wir natürlich in Drohnen, Steak mit Fritten und Salat drucken wir auf dem 3D-Drucker aus, ohne nervig online Lieferdienste zu kontaktieren. Sind wir obdachlos, drucken wir uns ein Haus aus. Ein klappriges Herz, eine geschrumpfte Leber, ein lahmer Lungenflügel, kein Problem, einfach den Drucker anwerfen! Selber einsetzen auch noch. Do it yourself, wie das ganz früher hieß. Learning by doing wahrscheinlich, superselbstbestimmt das Ganze. Und das pfui! Alter gibt es sowieso nicht mehr. Schon wieder nicht mehr.
Schon ab 2050 können wir unsern Alterungsprozess aktiv steuern, lese ich beeindruckt. Puh! Und dann ab in die Ewigkeit! Zwar hier. Hiergeblieben! Wenn es fad wird, als Migrant*in ins Weltall.
Von Geld ist auf dieser Future Seite keine Rede. Klima, Katastrophe, Kriege, so was Unappetitliches kommt nicht vor. Also: Nur noch dreißig Jahre durchhalten!