Ein dafür bestens ausgerüsteter junger Mann begibt sich zu Beginn wortwörtlich in die Höhle... der Höhle. Das Erdloch betretend lässt er die Gaslampe an seiner Stirn erleuchten und taucht langsam, aber sicher, tiefer und tiefer in die Grotte hinein. Lässt sich von der Dunkelheit umschlingen und versucht die Stille, die keine ist, auf sich wirken zu lassen. Die (imaginierten?) Höhlengeräusche überwältigen ihn jedoch irgendwann und er ergreift die Flucht in Richtung Tageslicht. Der junge Mann, den die Zuschauer gleich danach auf seinem Quad sitzen sehen können ist ein veränderter, metamorphisierter Mann. Und es ist ein Mann mit Downsyndrom. Es ist der titelgebende Théo, der zusammen mit seinem Vater zurückgezogen in den tiefsten Tiefen der französischen Cévennes lebt.
Der 27-Jährige und sein Vater, Kunstfotograf, leben in vollständiger Harmonie mit Natur und ihrer tierischen Umwelt. Leben in einem in japanisch-minimalistischen Stil eingerichteten Holzhaus, warm und von allen Seiten mit Naturlicht durchflutet und leben ihren Alltag auch lieber, wie sie die Natur gekleidet hat. Théo ist begeistert von asiatischen Martial-Arts-Künsten und ihren (Lebens)Philosophien und macht sich ihrer zu eigen. Eines Tages lässt Vater und Mentor seinen Sohn einer Austellung wegen für einige Zeit alleine zurück. Théo übergibt sich seinen Tagträumereien, seine Visionen, während denen er über seinen Platz in der Welt fabuliert und sich diese zurechtdenkt.
Damien Odouls Théo et les métamorphoses hat bis zum Ende dokumentarische Züge, ist schlussendlich aber alles andere als ein Dokumentarfilm. Das spricht für das durchinszenierte und geschriebene Hypridprodukt. Denn eigentlich stünde die Frage der künstlerisch moralischen Ausbeutung des Schauspielers im Mittelpunkt zur Diskussion. Théo/To-Schauspieler Théo Kermel ist Schauspieler mit Downsyndrom. Doch die Art und Weise, wie Odouls Kamera seinen Protagonisten einfängt - mit der Schulterkamera nervös und unberechenbar - unterstreicht den freien Charakter, der trotz geschriebenen Situationen im Spiel zugelassen wird. Dass zu einem sehr grossen Teil mit Naturlicht gearbeitet wurde, unterstreicht den Punkt, den die Dramaturgie machen will. Und gleichzeitig hat es ganz einfach den Anschein eines Dokumentarfilms, mit dem Regisseur und Film ganz klar kokettieren wollen.
Der zweite rote Faden ist die innere Stimme - von Odoul geschrieben - im Off, die einen durch den Film begleitet. Die Théo-Figur und sein Schauspieler haben vielleicht Downsyndrom, repräsentieren für Regisseur Odoul das pure Wesen und seine ebenfalls pure Gedankenleben, welche er dann doch für seine Zwecke benutzt. Damiel Odoul hat in seiner Karriere immer wieder mit Menschen mit Behinderung zusammengearbeitet, ob jetzt en fiction oder im Dokumentarfilm. Théo et les métamorphoses will sich wie ein griechisches Epos geben, während dessen der Held auf seine ganz eigene innere Odyssee geht. Halluzinationen, Träume und Realität vermischen sich und der Held To trifft dabei auf Menschen und Wesen, die ihm in einer Mischung aus Coming-of-Age- und Zurück-zur-Essenz-Geschichte helfen, seinen Platz in der Welt zu finden. Einteilung in Kapitel inklusive. Dabei nimmt die erste Hälfte des Films Théo Verhältnis zu seinem Vater unter die Lupe. Das um Längen, bei aller Spontanität ordentlichste Kapitel, welches sich die Ruhe und Zeit nimmt - schlussendlich das Thema des Films - um seine gegenübergestellten Figuren zu portraitieren und gegenüberzustellen.
Leider dreht sich der Film und das, was erzählt und erreicht wird, danach dramaturgisch und visuell im Kreis und verfällt einer beliebigen, fast schon esoterischen Geschwätzigkeit zum Opfer, die dem Film schadet und seine Themen in Ungnade fallen lässt, während der man abzuschalten riskiert. Die verhandelten Kapitel und Théos Peripetien rennen im Galopp durch und erschweren und wiederholen das Verhandelte, das eigentlich das Gegenteil predigt - zurück zur Natur und zur Essenz und auf dem Weg dorthin jeglichen unnötigen materiellen und geistlichen Überfluss über Bord werfen, um dabei eine innere Ruhe finden. Trotz allem bleibt der von Tarantula vertriebene Hybridfilm Théo et les métamorphoses ein interessantes kinematografisches UFO, welches hierzulande eher selten in den Kinosälen begrüsst werden darf.