Routinen schenken den Menschen Halt und eine gewisse Ordnung in ihrem Alltag. Wenn jedoch eine Zäsur stattfindet, dann kann das routinierte Leben auf den Kopf gestellt werden und auf böse Überraschungen stoßen. So scheint es jedenfalls den Figuren in January, dem neuen Film des bulgarischen Regisseurs Andrei Paounow - und von Tarantula mitfinanziert -, zu ergehen.
Im verschneiten, abgelegenen und in schwarz-weiss eingetauchten Setting trifft der Zuschauer auf namenlose Figuren, die alle auf die Rückkehr des scheinbar vom Boden verschluckten Petar Motorow warten. Er sollte jeden Augenblick wieder zurückkommen, gibt der von Samuel Finzi gespielte Wächter immer wieder denjenigen zu verstehen, die nach ihm suchen. Ein Priester, Zwillinge und folkloristisch verkleidete Geisterjäger, die auf Motorows OK warten, um mit seinem Traktor ihren festgesteckten Schneepflug wieder freischaufeln zu können - sie alle müssen sich in Geduld üben. En attendant Motorov. Doch immer wieder reist jemand mitsamt Pferdekutsche in Richtung Wald. En cherchant Motorov. Anstelle der Ungeduldigen kommt die Pferdekutsche mit einem von der Kälte zu einem Eiszapfen verwandelten Wolf als Passagier.
Was sich unsereiner vielleicht unter einem osteuropäischen kalten Winter vorstellt, dient Regisseur Paounow als visuelles Grundgerüst für seinen ersten Spielfilm. Bisweilen hat sich der Bulgare nämlich mit dokumentarischen Arbeiten beschäftigt wie beispielsweise mit The Mosquito Problem and Other Stories oder The Boy Who Was King, die sich mit Vergangenheit, Zerfall und Nachwehen des Sowjetsregimes in Bulgarien beschäftigen. January ist eine ähnliche Aufarbeitung, nur mit einer klar fiktionalen Absicht.
Das Drehbuch bedient sich eines Theatertextes von Yordan Radischkow, was dem Film sofort den Charakter eines Kammerspiels gibt. Dialoge sind karg und schroff, und die Spieler müssen sich vor allem mit Blicken und Körperhaltungen zu verständigen geben. Die Regie verwechselt einen immergleichen Rhythmus und dramaturgische Wiederholungen mit einem Verständnisschlüssel und versucht so zugleich den verhandelten Themen einen - allerdings willkürlich anmutenden - universalgültigen Anstrich zu verleihen. Ob der in einem Käfig eingesperrte und Raiki trinkende Rabe der Geist des Kommunismus, der Wald das ohnmächtige Bulgarien inmitten Idelogien oder Motorow selbst die unsichtbare Schicksalshand des Oligarchen über den Filmfiguren sein sollen oder sonst was - January ist ein Film, der in seinen ständig allegorischen Intentionen schwer fassbar bleibt. Wenn Andrei Paounow im letzten Akt jedoch das Augenzwinkern in Richtung The Shining zu einer frontalen, wenn auch studentischen Kopie von Kubricks Klassiker mutieren lässt, ist das eigentlich nur der Beweis, dass er nicht so recht weiss, wie er aus seiner eigenen atmosphärisch dichten und bierernsten Nummer herauskommen soll.