Angeblich bringt der Regenbogen Glück und er ist ein Symbol für Vielfalt und Gerechtigkeit. Arc-en-ciel heißt der abendfüllende Zyklus des luxemburgischen Komponisten Camille Kerger. Er nimmt seinen Ursprung in den sieben Farben des Regenbogens. Die Instrumentalformation ist gleich besetzt wie jene in Schönbergs Pierrot lunaire.
Sie wird für die einzelnen Sätze in unterschiedliche Teilbesetzungen zerlegt, nur im abschließenden achten spielen alle fünf geforderten Instrumente (Béatrice Rauchs am Klavier), Emma Landarrabilco (beeindruckend!) an den Flöten, Stephan Kronthaler (Klarinetten), Sandrine Cantoreggi an der Violine und Pierre Fontenelle (Cello) unter der Leitung des Ensembleleiters Pit Brosius zusammen.
Camille Kerger schrieb das Kammermusikstück während des Lockdowns, der gerade Kunstschaffende beflügelte, neue künstlerische Wege einzuschlagen. Das Resultat, eine der letzten Koproduktionen der diesjährigen Spielzeit im TNL, kann sich zeigen. Im TNL sieht man, wie eine Symbiose zwischen Zeitgenössischem Tanz und Kammermusik auf faszinierende Weise gelingen kann. Die Belichtung von Marc Thein bildet einen weiteren Kontrapunkt zur Musik. Entstanden ist ein vielschichtiges musikalisches Tableau in acht Teilen, in den sieben Farben des Regenbogens, die in kleinen Besetzungen vom Solo bis zum Quartett heraufbeschworen werden und zu denen eine vielfarbige Schlusskomposition hinzukommt, die in allen Lichtern der fünf versammelten Instrumente leuchtet.
Die Choreografin Jill Crovisier tastet sich sachte an das Klanguniversum und den Raum, bis sie ihn mit ihren Bewegungen sukzessive um ihre dynamische Performance erweitert. Anfangs sieht man die Tänzerin, wie sie die Treppe im dunklen hinteren Teil des Raumes hinuntergeht, erahnt ihre Schatten werfende Gestalt lediglich, bis sie auf der Bühne erwacht. Sie verrückt das Klavier und gestaltet den Raum neu. Das Ensemble bewegt sich ebenfalls behutsam. Es ist ein gegenseitiges Heran- bzw. Abtasten und eine respektvolle Erwiderung, die auf jeweils eine Klangfarbe folgt. Bis irgendwann das Spiegelbild der Tänzerin auf einer Videoprojektion auf die Rückwand der Bühne projiziert wird. Hier droht das Ganze kurz ins etwas Kitschige zu kippen.
Arc-en-ciel ist ein meditativer Spaziergang, der in den Landschaften, Farben und Tönen variiert, donnernd, jauchzend-jubilierend, mitunter knarzend, dann wieder undefinierbar sanft und rätselhaft. Die Freude des Kammerata-Ensembles – das durch sein präzises, virtuoses Spiel beeindruckt – an den Klangfarben ist in jedem Moment spürbar. Orange, Gelb, Blau, Indigo verschmelzen am Ende in einem mehrfarbigen Klangrausch. Wenn es noch Hoffnung gibt, so klingt diese zweifellos so.