In Luxemburg trennt man die Privatperson und die politischen Ämter immer dann, wenn es einem passt. In Esch/Alzette ist man dabei am neuesten Tiefpunkt angelangt. Der Erste DP-Schöffe und ehemalige Abgeordnete Pim Knaff will sein Amt nicht niederlegen, ja es scheint, er denkt nicht einmal daran. Wie Reporter vergangene Woche berichtete, wurde der Schöffe und Anwalt wegen schweren Steuerbetrugs zu einer Geldstrafe von 9 500 Euro verurteilt. Er hat im Rahmen eines Konkursverfahrens Honorare im Wert von 109 249,48 Euro nicht angegeben, es gehe um eine Steuerhinterziehung von 50 000 Euro. Das Ganze ging geräuschlos über die Bühne, da Knaff sich schuldig bekannte und einem Vergleich mit der Staatsanwaltschaft zustimmte. Am 18. April fiel das Urteil, gemildert durch den Umstand, dass Knaff nicht vorbestraft ist. Ansonsten hätten ihm bis zu 300 000 Euro und eine Haftstrafe gedroht. Knaff zeigte sich gegenüber dem Luxemburger Wort erst reumütig: Er stehe für den Fehler gerade und bezahle nun dafür. In den nachfolgenden Tagen sprach die Escher DP-Sektion von einer „erreur isolée“ und versichterte ihm „ihre einstimmige und unerschütterliche Unterstützung“. Das wiederum fand die Escher LSAP erschreckend und wünschte sich eine klare Positionierung von Knaff; Déi Lénk forderte den Rücktritt des Politikers bereits vergangenen Donnerstag. Die schwarz-blau-grüne Koalition wolle die zweitgrößte Stadt erstmal weiterregieren, erklärte der CSV-Bürgermeister Christian Weis.
Am Dienstagabend lud Pim Knaff die Parteisprecher zu einer Art offener Sprechstunde in die Gemeinde ein. Bis auf die Piraten waren alle Parteien anwesend. Auf dem Platz vor dem Hôtel de ville schien die Abendsonne, die Presse hatte sich versammelt, um dem starken Gegenwind, den eine solche Affäre normalerweise auslöst, beizuwohnen. Es wehte eher eine leichte Brise. Statt den Zeitpunkt zu nutzen, um auch gegenüber den Medien und somit dem breiten Publikum transparent zu sein, fand die Versammlung hinter verschlossenen Türen statt. Das Künstlerkollektiv Richtung22 war mit Bannern und Plakaten, die Knaffs Rücktritt forderten, angereist. Es wurden „Pim Tonics“ serviert – eine Anspielung auf eine Aussage, die Pim Knaff im Gemeinderat in Bezug auf die Eintrittspreise bei dem Festival Francofolies machte: Sie kosteten seines Erachtens soviel wie ein Gin Tonic. Im Hintergrund lief eine sorgfältig kuratierte Playlist mit Songs wie Money von Pink Floyd. Richtung22 sind schon länger schlecht auf Pim Knaff zu sprechen, da die Fresch Asbl., der Knaff vorsteht, ihren Vertrag im Bâtiment 4 nicht verlängert hat – und sie grundsätzliche Probleme mit seiner Kulturpolitik haben.
Kurz kommt ein Mann vorbei, der alles abfilmt und brüllt, dass Pim Knaff den Armen in Esch helfe: „De Pim bleift hei! Pim zu Esch!“ Als LSAP-Fraktionssprecher Steve Faltz und die Gemeinderätin Liz Braz dann nach einer Stunde Gespräch heraustreten, erklärt Faltz: „Wir haben das Urteil gesehen und für uns gibt es darin Widersprüche.“ Pim Knaff und die DP-Lokalsektion bestünden weiter darauf, dass es eine Bagatelle sei. Der Schöffe werde weiterregieren. Die LSAP sei besorgt, dass dieser Fall zu noch mehr Politikverdrossenheit führen würde. Gleichzeitig entgegnete Faltz, Knaff sei „wegen dieser Affäre legal nicht gezwungen, abzudanken“.
A propos Rückendeckung: Die EU-Spitzenkandidatin Amela Skenderović (siehe S. 7-8), die der Escher Sektion angehört und dort als Drittgewählte in den Gemeinderat nachrücken könnte, würde Knaff sein Mandat niederlegen, sei über die Angelegenheit „nicht wirklich im Bilde“. Das sagte sie Anfang der Woche dem Land.
Die wackelige CSV-DP-Grünen-Koalition musste sich erst sammeln. Ist der Vertrauensbruch groß genug, um die Koalition aufzulösen? Am Mittwoch kommuniziert CSV-Bürgermeister Christian Weis, fast wie abschließend: Nein! Natürlich nicht. Pim Knaff sei verurteilt worden – die Entscheidung, ob er als Schöffe weitermachen wolle oder könne, liege jedoch exklusiv bei ihm und seiner Partei. Weis ist davon überzeugt, dass jeder „Koalitionspartner sich der großen Verantwortung bewusst ist, sich für die Belange der Escher Bürger/innen einzusetzen“. Die Grünen teilen mit, sie seien „enttäuscht“ und hätten sich andere Konsequenzen gewünscht. Sie haben einstimmig für ein Weiterführen der Koalition gestimmt. Immerhin habe man viele tolle Projekte begonnen, unter anderem „neue Spielplätze für Kinder und sichere Schulwege“. Bloß kein Risiko eingehen, lieber einfach aussitzen, wenn man schon dabei sein darf. (Die eigenen Parteimitglieder treten vergleichsweise schnell zurück, siehe Traversini und Dieschbourg.) Die ADR reibt sich die Hände: „Und dann wundern sie sich, dass wir immer mehr Stimmen bekommen“, erklärte der Gemeinderat Bernard Schmit am Dienstagabend. Ein Trauerspiel, das seinesgleichen sucht. Zu Gesicht bekam die Presse Pim Knaff am Dienstag übrigens nicht. Er ging zur Hintertür raus.