Vergangene Woche tagte der parlamentarische Petitionsausschuss. Er beschloss, die Zahl seiner öffentlichen Anhörungen drastisch zu senken.
Das Parlament erlaubt, über seine Internetseite Unterschriften zu bestimmten Anliegen zu sammeln. In zehn Jahren wurden 3 164 Petitionsanträge eingereicht. Fast die Hälfte (43 %) beschäftigte sich mit Sozialem: Gesundheit, Arbeit, Familie, Erziehung, Wohnen, Sozialversicherung. 16 Prozent handelten von Verkehrsfragen. Weitere Themen waren Umwelt (6 %), Institutionen (6 %), Steuern (5 %).
Laut Artikel 166 des Kammerreglements kann der Ausschuss eine Petition wegen mangelnden „intérêt général de son objet“ ablehnen. Seit Anfang des Jahres lehnte er ein Drittel ab, 38 von 115 Petitionen.
Erhält ein Anliegen binnen sechs Wochen 4 500 Unterschriften, muss das Parlament eine öffentliche Anhörung veranstalten. Die Volksvertreter schenken den Petentinnen Aufmerksamkeit. Für bescheidene Reformvorschläge zeigen sie Verständnis. Weiter gehende Forderungen zerreden sie.
Ursprung des repräsentativen Parlamentarismus war die industrielle Arbeitsteilung der Gewalten: Der Adel regierte. Das Bürgertum legte im Parlament die Steuern fest. Die Konkurrenzwirtschaft verlangte eine neutrale Justiz. Gemeinsam gewährleisten sie die Trennung von Ökonomie und Politik. So bindet das allgemeine Wahlrecht die besitzlosen Klassen ein. Ohne die Eigentumsverhältnisse zu bedrohen.
Ab und zu verweigern Teile der Wählerschaft den Gehorsam: 2009 wurden Großraumlimousinen und Geländewagen höher besteuert. 30 000 Autofahrer traten in einen Steuerstreik. 2021 randalierten Tausende gegen Hygienevorschriften während der Covid-Seuche.
Der Anteil der Wählerinnen ohne Vertrauen in das Parlament wächst kontinuierlich. 2004: sieben Prozent, 2009: zehn Prozent, 2013: 15 Prozent, 2018: 23 Prozent (Elect, 2009, S. 256; 2013, S. 238; 2018, S. 9). Nichtwähler, ADR- oder Piraten-Wählerinnen drücken einen Protest gegen Institutionen aus, von denen sie sich nicht vertreten fühlen.
„Mehr direkte Demokratie“ soll das Symptom kurieren. Ohne dass sie auf Kosten der indirekten Demokratie der Abgeordneten geht. Referenden, öffentliche Petitionen, Ideenwettbewerbe, Fokusgruppen sollen abtrünnige Wähler in die Institutionen einbinden.
Direkte Demokratie ist oft eine kurze Freude. Ein Initiativkomitee sammelte 2009 Unterschriften gegen die Entmachtung des Großherzogs. Daraufhin wurden die Bedingungen für Verfassungsreferenden geändert.
Aus der „großen öffentlichen Debatte“ über die neue Verfassung wurden Werbeveranstaltungen. Die Wähler durften hastig Revisionsvorschläge nachreichen. Das Referendum von 2015 wurde zum Desaster. Daraufhin wurde das versprochene Verfassungsreferendum abgesagt.
Der Klima-Biergerrot, das Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050 waren Debattierklubs: kostspielig, bevormundet, folgenlos (Evaluation Report KBR, S. 19, Evaluation Report BK, S. 77).
Das Parlament führte die Petitions- und Anhörungsprozedur 2014 ein. CSV-Berichterstatter Marco Schank erklärte die Absicht: „Mat där neier ëffentlecher Petitioun ass eis Chamber méi no bei d’Leit geréckelt, ganz sécher, no un d’Uleies vun de Leit, no un d’Stëmm vum Vollek“ (17.5.15).
In den letzten drei Jahren verdoppelte sich die Zahl der Anhörungen: von einem halben Dutzend jährlich auf ein Dutzend. Nun erhöht der Petitionsausschuss die erforderliche Mindestzahl an Unterschriften von 4 500 auf 5 500.
Binnen zehn Jahren fanden 73 Anhörungen statt. Hätte die Schwelle bei 5 500 gelegen, hätten nur 35 Anhörungen stattgefunden. Die Zahl der Anhörungen wird jetzt halbiert. Die Petenten lernen: Rechte überdauern am besten, wenn sie ungenutzt bleiben.