Mitte des vorigen Jahrzehnts drohte eine Palastrevolte. Angeführt von Großherzog Henri. Der Bürgerkönig wollte „Generaldirektor mit einem Direktionskomitee“ des Palais werden. Kündigte sein angehender Kabinettchef Michel Heintz am 7. Oktober 2015 an. Prospektionsreisen hinterlassen ihre Spuren.
Auch Premierminister Luc Frieden will „CEO“ werden. „An der Method vun der Gestioun mengen ech, ass et absolut noutwenneg. An engem Betrib muss ee kucken, datt et efficace ass.“ Erklärte er zu Neujahr in einem Fernsehinterview. „An engem Betrib muss een och kucken, datt e konkurrenzfäheg ass par rapport zu anere Betriber. Am Fall vun engem Land ass dat par rapport zum Ausland. [...] Also an deem Sënn soen ech, et ass wéi e Chef vun engem Betrib.“
Beide waren noch nie Chef eines Betriebs: Der Großherzog sitzt in einem Schloss. Luc Frieden saß in Verwaltungsräten. Kleine Jungs träumen davon, Cowboys, Astronauten zu werden. Warum träumen Politiker davon, Firmenchefs zu werden?
Beide gehören machtlosen Klassen an: Der Hochadel ist aus der Zeit gefallen. Der Mittelstand war schon immer spießig. Die Monarchie will „mit der Zeit gehen“. Die CSV will modern sein. Was ist modischer als „esprit d’entreprise“?
Im Neoliberalismus erscheint der Gewerbebetrieb als Maß aller Dinge. Nicht die menschliche Gesellschaft – die Aktiengesellschaft. Das Profitstreben, der Konkurrenzkampf werden als Naturgesetze dargestellt. Der Staat, der öffentliche Dienst als pathologische Abart. So wurde das New public management erfunden. Es ist die alchemistische Summe aus Managerismus und Ernst & Young. Auf Kosten der Besitzlosen.
Höchster Wert soll der Mehrwert sein. „Ce qui importe, c’est la plus-value que je peux apporter au Grand-Duc héritier.“ Beteuert dessen Berater Tim Kesseler (Paperjam, Mai 2024). Luc Frieden hatte 2016 ein Buch mitunterzeichnet: Europa 5.0. Ein Geschäftsmodell für unseren Kontinent.
Die Leitung eines Betriebs verleitet den Großherzog, den Premierminister zum Träumen. Staatliche Institutionen unterliegen demokratischen Prozeduren. Am Fabriktor, an der Bürotür hört die Demokratie auf. Im Privatunternehmen lässt sich mit der Faust auf den Tisch schlagen, autoritär durchregieren. Der „lien de subordination“ beflügelt Träume von Enthemmung.
Der CEO ist der neue Superheld: „Jeffrey / Jeffrey Bezos / CEO, entrepreneur / Born in 1964“, singt Bo Burnham. „Look at where you came from / Look at you now / Zuckerberg and Gates and Buffett / Amateurs can fucking suck it / Fuck their wives, drink their blood.“
„Wat anescht ass, ass, datt an engem Land d’Profitabilitéit natierlech net deen eenzege Kritär ka sinn.“ Beruhigte Luc Frieden in seinem Interview. Die Profitabilität soll ein Kriterium der Staatsgeschäfte sein. Wenn auch nicht das einzige. Profitabilität ist der Umsatz geteilt durch den Profit. Was ist der Umsatz des Staates? Was ist der Profit des Staates?
Vielleicht ist das bloß Geschwätz. Um eine staatliche Umverteilung von oben nach unten zu durchkreuzen. Die DP kündigte 2009 in ihrem Wahlprogramm an: Sie werde in Behörden und Verwaltungen das „Kostendeckungsprinzip schrittweise zur Regel machen“ (S. 27). Als nächster Schritt käme die Profitabilität.
Der Großherzog, der Premierminister kommen etwas spät. In der Bankenkrise 2008 verlor die neoliberale Ideologie ihre Anziehungskraft. In der Covid-Seuche wurde sie ad absurdum geführt.
Chief Executive Officers sind keine Kapitalisten. Sie sind gut bezahlte Angestellte der Produktionsmittelbesitzer. Gleiches gilt für den CEO im Staatsministerium. Amüsiert sehen die Produktionsmittelbesitzerinnen seinen Verrenkungen zu. Dann lassen sie ihre Lobbyisten applaudieren.