„May the Force be with you!“ Wünschte Obi-Wan Kerobi den Star-Wars-Kriegern. Heute scheint der Jedi-Ritter Europawahlprogramme zu schreiben: „Europa. Stäerken, wat eis schützt“ (DP, S. 1). „Europa brauch e staarkt Häerz“ (LSAP, S. 1). „E staarkt Europa fir eng staark Sécherheet“ (CSV, S. 4). „Frieden geht nur durch Stärke“ (Fokus? Orwell?).
Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine befänden wir uns an einer „geostrategischen ‚Zeitenwende‘“. Meint die CSV (S. 3). Durchleben wir „einen Wendepunkt in der jüngsten Geschichte“. Meinen die Grünen (S. 54). Deshalb soll Schluss sein mit den Weicheiern, Warmduschern, Schlappschwänzen: „Europa muss sich aus seiner sicherheitspolitischen Komfortzone hinausbewegen.“ Brüllt die CSV über den Kasernenhof (S. 3). „Et geet ëm vill, an e staarkt, selbstbewosst Europa ass batter néideg an dësen Zäiten.“ Pflichtet die LSAP bei (S. 23).
In den Programmen zu den Europawahlen klirren die Waffen. Verhandeln, Kompromisse, Interessenausgleich, Diplomatie klingen wie Verrat. Und kosteten „unsere Werte“ die letzte Ukrainerin, den letzten Palästinenser das Leben. Die CSV fordert „eine glaubwürdige Abschreckung Europas. Durchaus in Einbeziehung der französischen Nuklearwaffen. Und mit einer starken Rüstungsindustrie“ (S. 3). Die Grünen wollen die „Entwicklung schneller europäischer Eingreiftruppen“ (S. 54). Alternativen zum Drohen, Aufrüsten, Kämpfen werden selbst auf der Linken nur zaghaft erwogen.
Am 8. Mai stellte Verteidigungsministerin Yuriko Backes ein Beschaffungsprogramm vor. Über 186 Panzerfahrzeuge, Armeelaster, Tieflader und Eisenbahnwaggons für 2,6 Milliarden Euro. Kritik am „[p]lus grand investissement dans l’histoire de l’Armée luxembourgeoise“ wagt niemand.
Der Philosoph Michael Hardt und der Politikwissenschaftler Sandro Mezzadra glauben, „that a global war regime is emerging“ (Sidecar, 9.5.24). Wo Regierungsgewalt, Militärapparat und Wirtschaftsstruktur miteinander verwachsen. „The war regime is also evident in the militarization of the social field. Sometimes this takes the explicit form of suppressing dissent and rallying around the flag. But it also manifests in a more general attempt to reinforce obedience to authority at multiple social levels.“
In Frankreich und Deutschland sind Versammlungs-, Wissenschafts- und Kunstfreiheit außer Kraft gesetzt. Wenn es um die Kriege in der Ukraine und in Gaza geht. Hierzulande werden russische Sender und Filme verboten. Das Luxemburger Wort nutzt die Gelegenheit zum Denunziantentum: „Israel rückt in beiden [Kunst-]Werken durch seine Militärgeschichte und eingesetzte Militärtechnik in den Fokus. Setzt hier das Mudam bewusst einen politischen Kommentar?“ (20.4.24).
Der Politikwissenschaftler Jean-François Bayar warnt vor dem „péril que fait courir à nos libertés la révolution conservatrice qui est en marche, en France comme dans une bonne partie du monde“ (Le Monde, 12.5.24).
Der neue Konservatismus ist offen nach rechts. EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen erwog am 29. April eine Zusammenarbeit mit der rechtsradikalen ECR-Fraktion. Vier Tage zuvor schlossen sich CSV und DP der ADR an. Um das Recht auf Steuerdumping zu verteidigen. Zuvor einte sie schon das Betteleiverbot.
Die Angst vor dem Terrorismus erlaubte Kontrolle, Überwachung, Repression. CSV, LSAP, DP und Grüne änderten die Verfassung und das Strafgesetz. Die Angst vor der Covid-Seuche weitete die Grenzen des politisch Möglichen aus. Bis zum Ausnahmezustand und Ausgangsverbot. Die neue Kriegsangst vor dem alten Ennemi fördert eine „révolution conservatrice“. Sie soll sogar Vermögensunterschiede und Klimaveränderung erdulden lassen.