Kino

Bilderrahmen

d'Lëtzebuerger Land vom 30.06.2023

Dass Filme Bilderrahmen sein können, beweist einmal mehr Wes Anderson mit seinem neu erschienenen Asteroid City. Besagte Stadt liegt irgendwo in der Ödnis einer Wüste, verdanken tut sie ihren Namen einem Asteroideneinschlag; ein Ort, der nie zu der Touristenattraktion wurde, die man sich erhoffte. Grelle Pastellfarben bestimmen das äußere Erscheinungsbild, verweisen auf die vermeintliche Harmonie, die hier vorherrschen soll. Dass hier aber gar nichts in Ordnung ist, stellt der Fotograf Augie Steenbeck (Jason Schwartman) recht bald fest, der 1955 aufgrund einer Autopanne mit seinen Kindern dort eher unfreiwillig verweilen muss. Rasch lernt er die vielen schrulligen Bewohner von Asteroid City kennen und auch außerirdische Besuche lassen nicht lange auf sich warten…

Was von Wes Anderson als bissige Komödie voller kurioser Einfälle und überbordender visueller Opulenz angedacht sein mochte, verliert sich recht schnell in einer erzählerischen Leere, die so öde ist, wie die Wüstenlandschaft, die der Schauplatz ist. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zuerst wirkt die Erzählung, der Asteroid City nachgehen will, viel eher wie ein Vorwand, der nur noch für das Schaulaufen seiner Filmstars herhalten soll: Schauspielgrößen wie Tom Hanks, Edward Norton, Margot Robbie, Adrien Brody treten auf, die indes keine wahre Starpräsenz mehr auszustrahlen wissen, sondern nur noch Chargen sind in dem so oft als „Puppenhaus“ bezeichneten Filmuniversum von Wes Anderson. Zum anderen kann diese ganz unübersichtliche Geschichte, die sich in vielen kleineren Handlungsfäden und Rahmenerzählungen verstrickt, nur in die Leere laufen. Nicht nur wird neben dem narrativen Faden der Fremden auf unbekanntem Terrain eine Liebesgeschichte aufgemacht, da Steenbeck in der Filmikone Midge Campbell (Scarlett Johansson) seine Seelenverwandte findet; obendrein wird die Handlung nochmals in einer Nacherzählung gedoppelt. Die eigene mediale Weiterverarbeitung der Ereignisse, deren Produktionsgeschichte, wird parallel stückweise nachgereicht. Diese sehr sperrigen Erzählkonstruktionen korrelieren denn auch auf augenfällige Weise mit dem opulenten, sehr ornamentalen visuellen Stil, der auf ostentative und exzessive Weise von Kadrage und symmetrischer Komposition bestimmt wird. In allen Fällen wird so aber beständig der Zugang erschwert. Vielmehr scheint es Wes Anderson um die Feier seiner eigenen Handschrift zu gehen. Dass Anderson einen ungemein singulären Filmstil entwickelt hat, der jedes seiner Werke unverkennbar macht, ist gar keine Frage, aber die Selbstgefälligkeit mit der dieser Regisseur diese Selbstverliebtheit ausstellt, hat längst – spätestens mit Grand Budapest Hotel (2014) – seinen toten Punkt erreicht. Mit Asteroid City ist nun einmal mehr ein Extremfall gesetzt, wo das Medium in seiner Verfasstheit gerinnt, ja nur noch aus einem Post-Mortem-Effekt heraus besteht.

Die Verweise auf ein außerirdisches Leben oder noch die plakativen Ausrufe „You can’t wake up if you don’t fall asleep“ werden unzusammenhängend und zitathaft eingestreut – ob Anderson sich somit am Puls der Zeit glaubt, einen Kommentar auf die Corona-Pandemie formulieren will? Das Themengeflecht rund um Zwangsquarantäne und Staatsdoktrin legen diese Fährten, sie bleiben aber sehr unausgereift. Genügend Zündstoff für hanebüchene Verschwörungstheorien ist allemal gegeben. Man erlebt diesen Film dann auch nicht mit den Figuren, man blickt fortwährend auf sie, sie sind Teil einer Ästhetik der Überkonstruktion. Zeigen und Erzählen sind freilich unterschiedliche Reizkategorien. Man sieht durch ein Fenster, gewinnt einen Eindruck einer realweltlichen Abbildung, man schaut indes auf einen Fensterrahmen. Es ist diese beständige Referenz der Bilder auf sich selbst, die den kons-trukthaften Charakter dieses Filmes ausmacht, dessen Zeigegestus den gesamten Inhalt bestimmt, dergestalt, dass man zum Schluss kommen mag, dass Asteroid City eines jener Alterswerke darstellt, das sich nur noch dem ästhetischen Eigenwillen verpflichtet sieht.

Marc Trappendreher
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