Am Sonntag wurden neue Gemeinderäte gewählt. Wahlgewinner Xavier Bettel wollte in den Ergebnissen einen „Trend“ für die Kammerwahlen erkennen. Wahlverlierer Luc Frieden nur lokale Eigenarten.
Beide haben recht. Es gibt lokale Unterschiede zwischen den Gemeinden: In den reichsten Gemeinden wohnen Leute, die laut Volkszählung von 2011 doppelt so viel verdienten wie die in den ärmsten Gemeinden. Der Anteil der RMG-Berechtigten war in den ärmsten Gemeinden 17 Mal höher. Der Anteil der Arbeitslosen war sieben Mal höher.
Die lokalen Unterschiede führen zu politischen Trends. Am deutlichsten beim Wahlverhalten in den Proporzgemeinden, wo politische Parteien kandidierten. Dort leben drei Viertel der Bevölkerung.
Ein Vergleich zwischen den Wahlergebnissen und dem Indice socio-économique des communes bestätigt die Trends (Statec-Bulletin 2-17). Die Wechselbeziehungen zwischen Stimmenanteil und sozialer Lage lassen sich berechnen: als Pearson-Koeffizient auf einer Skala von +1,00 (völlig übereinstimmend) bis –1,00 (völlig entgegengesetzt).
Siegerin der Gemeindewahlen ist die DP. Sie ist die traditionelle Partei des Mittelstands und der Besserverdienenden. Sie ist am stärksten in Gemeinden, wo der Medianlohn am höchsten ist (Korrelation: +0,26). Wo die wenigsten Arbeiterinnen und Arbeiter wohnen (–0,27).
Im Vergleich zu den Grünen erscheint die DP fast sozialliberal. Was zu ihrem derzeitigen Erfolg beiträgt. Die Grünen wurden exquisiter als die DP dort gewählt, wo die wenigsten Arbeiterinnen und Arbeiter wohnen (–0,40). Am besten gewählt wurden sie in Gemeinden mit den höchsten Medianlöhnen (+0,45). Dort, wo die wenigsten Revis-Berechtigten wohnen (–0,31).
Die Grünen sind die Verlierer der Gemeindewahlen. Am Sonntag verloren sie gegenüber 2017 am wenigsten dort, wo weniger Arbeiterinnen und Arbeiter (–0,48) wohnen, die Medianeinkommen am höchsten sind (+0,43), wo weniger Revis-Berechtigte leben (–0,40). Die neue Generation der Grünen löst die DP als liberale Klassenpartei ab. Klimapolitik unter Besserverdienenden ist Klassenkampf von oben.
Also gewann die LSAP gegenüber 2017 eher dort, wo die Grünen verloren (–0,34). LSAP und DP gewannen dagegen oft in den gleichen Gemeinden (+0,45). Die Zahl der LSAP-Mandate blieb unverändert. Die LSAP ist eine Partei von Beamtinnen, Angestellten und Facharbeitern. Nach jeder Wahlniederlage will sie das „A“ aus dem Parteinamen streichen. Doch ihre Wahlergebnisse korrelieren weiter mit dem Anteil der Arbeiterinnen und Arbeiter (+0,34), der Revis-Berechtigten (+0,22), negativ mit dem Anteil der Besserverdienenden (–0,34),
Auch die Piraten erzielten ihre besten Wahlergebnisse in den Gemeinden mit den meisten Arbeitern (+0,41). Wo die meisten Revis-Berechtigten wohnen (+0,36). Am schlechtesten in Gemeinden mit den höchsten Medianlöhnen (–0,51). Die Piraten lösen die ADR als Protestpartei der sozial Abgehängten ab.
Die neue ADR-Führung ist liberal und identitär. Ihre Anwälte und höheren Beamten verachten soziale Verlierer. Die Wahlresultate der ADR zeigen keinen Zusammenhang mit dem Einkommensniveau in den Gemeinden. Ihre Ergebnisse sind dort besser, wo weniger Arbeiter wohnen (–0,23). Die Veränderungen gegenüber 2017 von DP und ADR sind deutlich entgegengesetzt (–0,74). Entgegengesetzt sind auch die Veränderungen von DP und Piraten (–0,30), von LSAP und Piraten (–0,29), von LSAP und déi Lénk (–0,64).
Die CSV war am Sonntag die einzige Volkspartei. Ihre Wählerschaft war von allen Parteien am breitesten gestreut: Sie zeigt keine Korrelation mit den sozialen Unterschieden der Gemeinden. Die CSV verlor landesweit 17 Mandate. Gegenüber 2017 schnitt sie dort besser ab, wo auch die ADR besser abschnitt (+0,38). Spitzenkandidat Luc Frieden will die CSV zur konservativen DP machen. Die Gemeindewahlen zeigen, dass er vielleicht zu spät kommt.