Seit der Rückkehr der Inflation verlangen allerlei Parteien die Anpassung der Einkommensteuertabelle. Um die kalte Progression, reale Steuererhöhungen durch nominale Lohnerhöhungen, zu beenden. Das können die Liberalen nicht auf sich sitzen lassen. Sie sind die Steuersenkungspartei. Der Wahlkampf ist ihnen heiliger als die Haushaltsdisziplin. Am 3. März bot die DP der Tripartite eine Anpassung der Steuertabelle an zweieinhalb Indextranchen an. Die Sozialpartner nahmen das Angebot dankend an.
Anfang April erhielt der parlamentarische Tripartite-Ausschuss einen entsprechenden Gesetzentwurf. Seither ist es dort ruhig. Vielleicht wegen der Saumseligkeit seiner Mitglieder. Vielleicht weil die Regierung ein halbes Jahr abwarten will. Um den verehrten Mittelschichten kurz vor den Wahlen einige hundert Euro auf einmal auszuzahlen. Statt läppische 44 Euro pro Monat.
Die Steuertabelle soll erst ab nächstem Jahr angepasst werden. Es wäre möglich gewesen, die Einkommensstufen rückwirkend zum 1. Januar 2023 um zweieinhalb Indextranchen zu erhöhen: Die seit Januar zu viel einbehaltenen Beträge hätten bei der Besteuerung der Juni- oder Juli-Löhne von der Steuerlast abgezogen werden können. Das hätte auch die Steuererklärung der Haushalte und Selbstständigen für 2023 nicht berührt. Sie ist erst für Ende nächsten Jahres fällig.
Stattdessen einigte sich die Tripartite auf eine Steuergutschrift für 2023. Das Abkommen wünscht sie „basé sur l’adaptation du barème de l’impôt sur le revenu à hauteur de 2 tranches indiciaires“.
Das Steueramt sollte eine alchemistische Formel finden: um einen Inflationsausgleich der progressiven, nach Klassen unterteilten Steuertabelle in eine gleichwertige Steuergutschrift zu verwandeln. Das Ergebnis soll Umverteilungen verhindern, real beständig bleiben und nominal gut aussehen.
Das Steueramt rechnete Pi mal Daumen: Ein Bruchteil des Bruttolohns minus den Eingangsbetrag jeder Einkommensstufe plus eine Pauschale. Für drei Einkommensstufen wird die labile Formel gleich durch einen Pauschbetrag ersetzt. Fertig ist der „crédit d’impôt conjoncture“ (CIC).
Nächstes Jahr wird die Steuergutschrift durch eine Anpassung der Steuertabelle ersetzt. Es darf keine Enttäuschten geben. Deshalb soll die Gutschrift progressiv wie die Steuertabelle sein. Statt 23 Einkommensstufen zählt sie nur acht.
Linear steigt die Steuergutschrift für die niedrigsten Bruttoeinkommen zwischen 2 100 und 4 600 Euro monatlich. Für die Arbeiterinnen, kleinen Angestellten und Rentner. In Klasse 1 bekommen sie ab etwas weniger als dem Mindestlohn pro 100 Euro Einkommen anderthalb Euro mehr. Ab 4 600 Euro gelten dann im Wesentlichen Pauschbeträge von 44 oder 48 Euro monatlich. Oberhalb des Mittelstandsbuckels macht der Pauschbetrag 54,25 Euro aus.
Für 2023 gaben sich die Gewerkschaften mit einer Steuergutschrift im Gegenwert von zwei Indextranchen zufrieden. Statt zweieinhalb Indextranchen wie 2024. In der Salariatskammer fanden sie nun heraus, dass nicht einmal das der Fall ist.
Die Salariatskammer hat für ihr Gesetzesgutachten errechnet: Ab Löhnen von 5 000 oder 6 000 Euro, je nach Steuerklasse, fällt die Steuergutschrift niedriger aus als eine Anpassung der Steuertabelle an zwei Indextranchen. Von zweieinhalb nicht zu reden. Die nach der Einkommensteuerschuld berechnete Solidaritätssteuer wird nicht parallel gesenkt.
In der Steuerklasse 1a ist die Steuergutschrift bei allen Einkommen ungünstiger als eine Anpassung der Steuertabelle. Nach 1a werden Alleinerziehende besteuert. DP, LSAP und Grüne „stäerke besonnesch déi allengerzéiend Mammen oder Pappen“. Das versprach Premier Xavier Bettel 2018 in seiner Regierungserklärung. Nun erhalten Hausfrauenehen bis Jahreseinkommen von 80 000 Euro durch die Steuergutschrift deutlich mehr Geld als durch eine Anpassung der Steuertabelle.