Am Sonntag wird der Gemeinderat der Hauptstadt neu gewählt. Thema ist die politische Langlebigkeit von Bürgermeisterin Lydie Polfer.
Außenminister Jean Asselborn brachte die Gemeindepolitik auf den Punkt. Im November 2014 behauptete er in einer Fernsehdebatte: „Wir haben keinen Platz für Häuser, nur für Briefkästen.“ Er stellte die Frage nach dem Ort fiktiven Kapitals.
1979 wurde in Differdingen die Groussgasmaschinn stillgelegt. In der Stadt Luxemburg wurde die Groussgeldmaschinn unter Dampf gesetzt. Sie pumpt fiktives Kapital aus aller Herren Länder durch lokale Banken, Anwaltskanzleien, Steuerberatungsfirmen und Briefkästen. Sie verarbeitet es, leitet es weiter, führt es zurück in den Kreislauf, scheidet es aus.
Die Deregulierung der Finanzmärkte in den Achtzigerjahren brachte die Maschine auf Touren. Die Stadt wurde eine neoliberale Stadt. Die Politik half dabei oder fügte sich.
Die neoliberale Stadt ist von besonderer Natur: Sie ist ein verschlafenes Provinznest und gleichzeitig in die internationale Arbeitsteilung eingebunden. Sie ist kein Ort, wo Mehrwert extrahiert wird. Sie ist ein Ort, wo er abgefüllt, umgepackt, weitergeleitet wird. Sie ist ein Ort, wo das Versprechen auf Mehrwert verwaltet wird. Der Unterschied zu Orten, wo Mehrwert extrahiert wird, ist leicht zu erkennen: dass sauberes Trinkwasser aus dem Hahn fließt, der Müll pünktlich abgeholt wird.
Die Groussgeldmaschinn muss reibungslos laufen. Die Stadtverwaltung hilft dem Staat, ein günstiges Geschäftsklima zu gewährleisten. Zur Deckung der Spesen zweigt sie einen homöopathischen Teil der Mehrwertversprechen ab. Er reicht, damit die Stadt im April vergangenen Jahres Rücklagen von 655 Millionen Euro ausweisen konnte.
Die Spielregeln der repräsentativen Demokratie verlangen: Die lokalen Dienste für anonyme Kapitalbesitzer in aller Welt brauchen eine politische Legitimation. Durch eine Mehrheit von Leuten, die kein Kapital besitzen. Das kann ein Problem bei Wahlen sein. Die Lösung heißt: Lydie Polfer. Sie verkörpert zugleich die Einbindung in die internationale Arbeitsteilung und das verschlafene Provinznest. Das erklärt ihre politische Langlebigkeit.
Die Bürgermeisterin gibt sich weltoffen: Sie schafft die lokalen Voraussetzungen für die ungehemmte Zirkulation fiktiven Kapitals. Zugleich gibt sie sich spießig: Sie sichert die politischen Voraussetzungen dieser Zirkulation bei konservativen Wahlberechtigten.
In den Fußgängerzonen hätschelt sie Rentnerinnen, Kleinkinder und Pudel. Sie muss junge Expats bei Laune halten. Ohne alte Wählerinnen mit Nachtlärm und Tretrollern zu verschrecken. Die anderen Parteien hüten sich, ihr ins Handwerk zu pfuschen. Im Wahlkampf versprechen sie etwas mehr Fahrradwege.
Die Gemeindeverwaltung malt „Multiplicity“ auf die abgasarmen Busse. Die Marke steht für die vielfältige Herkunft des globalisierten Kapitals. Sie meint die Arbeitskräfte in seinem Dienst. Sie verklärt Kommunalpolitik zu einem bunten Straßenfest für amerikanische Anlageberater, belgische Rechtsanwältinnen, französische DRH. Rumänische Bettler sind nicht erwünscht.
Lydie Polfer hat die nötige Autorität, Interessenkonflikte zu entscheiden. Gegen den DP-nahen Mittelstand. Der keine Straßenbahn von KPMG entlang Bank of China bis Deloitte wollte. Oder zugunsten der Bauträger, Immobilienfonds und DP-nahen Ertragshausbesitzer. Sie bekamen die neoliberale Stadt als Klondike überlassen.
Die rechtsliberale Politikerin fördert die Freiheit des Einzelnen. Nur sicher und sauber muss er sein. Sicherheit und Sauberkeit beruhigen nicht nur die kleinbürgerliche Wählerschaft. Sie sind ein Standortfaktor. Luxembourg for Finance wirbt für „Luxembourg city – the safest city in the world“. Lydie Polfers politische Langlebigkeit ist auch ein Standortfaktor: Er garantiert Investitionssicherheit.