„Es gibt so viele schöne Weihnachtslieder! Aber wenn ich mich entscheiden müsste, dann würde ich ‚Stille Nacht‘ nehmen, in seiner originalen Version.“ Antwortete Umweltminister Serge Wilmes dem Luxemburger Wort (23.12.23). Als er nach seinem liebsten Weihnachtslied gefragt wurde. Ähnlich antwortete er dem Mouvement écologique. Als er vorige Woche nach seiner liebsten Umweltpolitik gefragt wurde.
Der CSV-Politiker stammt aus einer hauptstädtischen CSV-Familie. Er kennt seine Wählerschaft: Sie misstraut Originalität. Sie bevorzugt Tradition. Die kleinbürgerlichen Viertel der Stadt schätzen gute Tischmanieren, saubere Fingernägel, Weihnachtsmetten, Steuersenkungen. Diesen konservativen Beamten, leitenden Angestellten, Ärztinnen, Hausfrauen, Anwälten, Rentnerinnen empfiehlt Serge Wilmes sich seit 15 Jahren als Chorknabe und Schwiegermutterliebling.
Serge Wilmes war zielstrebig. Mit 24 Jahren schrieb er eine Abschlussarbeit über Die katholische Kirche Luxemburgs und die Abtreibungsdebatte in den 1970er Jahren. Zwei Jahre später war er Berufspolitiker. Zuerst als Parteifunktionär. Gleichzeitig wurde er Präsident der Christlich-Sozialen Jugend. So heißt die Warteschlange von Nachwuchspolitikern, die Abgeordnete und Minister werden wollen. Serge Wilmes suchte die Überholspur. Er gehörte zur Dräikinneksgrupp. Die drängte nach dem Machtverlust 2013 auf eine „Erneuerung“ der Partei: Die Alten sollten ihre Posten für den Nachwuchs räumen.
Serge Wilmes fehlte die Fürsprache zu einem bequemen Seiteneinstieg. Er musste seine Laufbahn absichern: im Parteiapparat, landespolitisch, kommunalpolitisch, verbissen. 2009 kandidierte er bei den Kammerwahlen. Er wurde Vierzehnter. Nach zwei Jahren rückte er ins Parlament nach. Er kandidierte für den Stadtrat und wurde Achter. 2017 wurde er Erster, Erster Schöffe. Vergangenes Jahr scheiterte er als Bürgermeisterkandidat an Lydie Polfer.
Zweimal kandidierte er für das Amt des Generalsekretärs der CSV. Zweimal scheiterte er. Nach der Wahlniederlage 2018 sollte der erweiterte Nationalvorstand ihn zum Parteipräsidenten krönen. Michel Wolter warnte vor einem Putsch. Wilmes musste sich einer Wahl stellen. Er unterlag gegen Frank Engel.
Serge Wilmes ist bei der Wählerschaft beliebter als in der Partei. Die Parteifreunde ärgern sich über sein hemmungsloses Strebertum. Ihm erging es wie Xavier Bettel: Am Ende kam die Parteiführung nicht mehr an seiner Popularität vorbei.
Als Abgeordneter blieb Wilmes ein Hinterbänkler. Er meldete sich kaum zu Wort. Er schrieb ab und zu parlamentarische Anfragen. Er schüttelte lieber Hände. So wurde er am 8. Oktober Dritter der CSV im Zentrum – noch vor Ex-Spitzenkandidat Claude Wiseler. Serge Wilmes war am Ziel: Er konnte Anspruch auf ein Ministeramt erheben.
Das Wahldesaster der Grünen war allen Parteien eine Warnung: Mit Umweltschutz sind derzeit keine Wahlen zu gewinnen. Die Wählerschaft wollte eine Pause bei der Klimawende. Die Unternehmer sind nur für die Klimawende, wenn sie daran verdienen. CSV und DP nickten zustimmend: Die Fledermäuse sind schuld an der Baukrise, den Immobilienpreisen.
Premier Luc Frieden setzt sich für Nachhaltigkeit ein. Die Nachhaltigkeit der Besitz- und Machtverhältnisse. Notfalls auch bei 50 Grad im Schatten. Die Regierung will nicht mit „iwwerdriwen a komplizéiert Prozeduren a Reegelen de Fortschrëtt an anere wichtege Beräicher“ behindern. Sie verspricht „Proportionalitéit an Effikassitéit“ (Regierungserklärung, 22.11.23). Den Rest soll der Markt regeln. Wie schon unter DP, LSAP und Grünen: Der Markt für Kohlendioxid-Zertifikate, grüne Investitionsfonds, Elektroautos, Sonnenpanele, Diesel, Glyphosat, Atomstrom.
Gebraucht wurde ein Minister mit Berufserfahrung für Zeiten des ökologischen Stillstands. Der als Abgeordneter, als Stadtschöffe seinen ganzen Fleiß auf seine politische Laufbahn verwendete. Dem keine Zeit für seine Ressorts blieb. Dessen persönlicher Ehrgeiz für die erforderliche Prinzipienlosigkeit bürgt.