Nach den Gemeinde- und den Kammerwahlen würden sich die politischen Parteien den Aufwand gerne ersparen. Trotzdem bereiten sie sich auf die Europawahlen vor. Sie fühlen sich gezwungen.
Es sind auch nicht richtig die Parteien, die sich vorbereiten. Es sind die größeren oder kleineren Parteiapparate. Sie müssen einen potemkinschen Wahlkampf führen. Zum üblichen Thema: „Diesmal sind wirklich Schicksalswahlen!“ Die Parteimitglieder nehmen Europawahlen beiläufig zur Kenntnis.
Zur Europäischen Union wagen die Parteien keine Differenzen: Alle mit Aussicht auf ein Mandat sind bedingungslose Befürworter. Sie haben ihren Treueschwur in Artikel 5 der neuen Verfassung gemeißelt. Falls einmal Halb- oder Ganzfaschisten an die Macht kämen. Wie andernorts in der europäischen Wertegemeinschaft.
Seit 1842 sucht das kleine Großherzogtum große Absatzmärkte. Der Direktor von Luxembourg for Finance wird Botschafter bei der Europäischen Union. Gleichzeitig entmutigt der neoliberale Durchmarsch die Hurra-Europäer in der Wählerschaft. Die Parteien müssen Verständnis zeigen: Jede ist für ein sozialeres und umweltschonenderes Europa. Aber nach dem Fiasko der Grünen wollen sie es keineswegs übertreiben. Auch sähen sie es lieber, wenn die Armen zu Hause blieben. Statt vor der Schengen-Grenze im Mittelmeer zu ertrinken.
In Luxemburg sind die Wahlen zum Europaparlament nicht ganz echt: Es geht um keinen richtigen Einsatz. Entscheidungen in der Europäischen Union treffen die deutsche, die französische Regierung, die Frankfurter Zentralbank. Nachrangig die Kommission. Sofern besagte Regierungen sie lassen. Dem Europaparlament fehlen entscheidende Vorrechte eines Parlaments.
Die Luxemburger Abgeordneten machen nicht einmal ein Prozent des Europaparlaments aus. Ihr Wahlergebnis hat keine politische Bedeutung. Für die Parteien sind Europawahlen ein weiteres Politbarometer. Das Ergebnis kann 14 Tage lang ihrem Ansehen dienen. Dann ist es vergessen.
Seit 2009 kandidieren keine amtierenden Minister mehr. Seither weichen die Ergebnisse der Europa- und der Nationalwahlen voneinander ab. Um eines der sechs Mandate zu erhalten, braucht eine Partei fast elf Prozent der Stimmen. Erdrutschsiege sind selten: In 40 Jahren verschob sich vier Mal ein Sitz. Umfragesammler Europe Elects prophezeite im Januar, dass CSV und LSAP am 9. Juni je einen Sitz auf Kosten von DP und Grünen gewännen.
Die Europawahlen sind nicht unnütz. Sie sollen die Trennung von Demokratie und Wirtschaftspolitik kaschieren. Sie erlauben den Parteien, nach den Kammerwahlen personell noch etwas aufzuräumen.
Charles Goerens gehört dem Europaparlament mit Unterbrechungen seit 42 Jahren an. Er will weitermachen. Auch seine ehemalige Parteikollegin, Jean-Claude Junckers Kinderstar Monica Semedo. Sie hat die DP verlassen. Sie findet Zuflucht bei Frank Engels Fokus. Man kennt sich mit Mobbing aus.
Jean Asselborn spielte bei den Kammerwahlen noch einmal 20 596 persönliche Stimmen ein. Dann trat er sein Mandat nicht an. Niemand wirft ihm Wählerbetrug vor. François Bausch fand keine so anrührenden Erklärungen. Die Grünen wollen ihn nun nach Straßburg exfiltrieren. Dann hätte wenigstens einer in der Partei Verantwortung übernommen. Für die Wahlniederlage und die Rechtsregierung.
Die CSV hat Christophe Hansen den Posten des EU-Kommissars versprochen. Er war sieben Jahre bei Astrid Lulling in der Lehre. Später ging er zur Handelskammer. Wie Luc Frieden. Hansen soll Nachfolger von Nicolas Schmit werden. Der LSAP-Politiker hat seit Oktober die falsche Parteikarte.
Schmit wird Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten. Dann könnte der Arbeits- und Sozialkommissar viel erzählen: Wie der „freie und unverfälschte Wettbewerb“ europaweit das Leben der Schwächsten ruiniert. Wie Uber und Deliveroo seinen Richtlinienentwurf für Freelance-Fahrer und Pizzaboten verhinderten. Vielleicht will er sein Publikum bei den Wahlveranstaltungen in Lissabon oder Athen auch nicht beunruhigen.