Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise vor zehn Jahren hatten die Austeritätspolitiker Europa gleich in eine zweite Rezession gestürzt. Bis 2014 sollte die Arbeitslosenrate der 15- bis 24-Jährgen im EU-Durchschnitt auf 22,2 Prozent und hierzulande auf 22,3 Prozent steigen.
Deshalb hatte der Europäische Rat am 22. April 2013 eine „Empfehlung zur Einführung einer Jugendgarantie“ beschlossen. Darin stellte er im marktkonformen Jargon fest, dass die „Investition in das Humankapital junger Europäer“ zum „nachhaltigen und integrativen Wirtschaftswachstum“ beitrage. Andererseits würden die „7,5 Millionen NEETs“, Jugendliche, die weder arbeiten noch lernen, „1,2 % des BIP“ kosten. Also sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, „dass allen jungen Menschen unter 25 Jahren innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten, nachdem sie arbeitslos werden oder die Schule verlassen, eine hochwertige Arbeitsstelle oder Weiterbildungsmaßnahme oder ein hochwertiger Ausbildungs- bzw. Praktikumsplatz angeboten wird“. An der Finanzierung dieser Jugendgarantie, die von verschiedenen Gewerkschaften in der Europäischen Union gefordert und deren Einführung entsprechend begrüßt worden war, sollte sich der Europäische Sozialfonds beteiligen.
Ein Jahr später, am 26. Juni 2014, gaben der damalige Arbeitsminister Nicolas Schmit (LSAP) und Erziehungsminister Claude Meisch (DP) den Startschuss für eine Jugendgarantie in Luxemburg. Mit einem Faltblatt sollte Kontakt zu den Jugendlichen aufgenommen werden, die die Schule verlassen haben und nicht auf dem Arbeitsmarkt auftauchen: „Adem, SFP/ALJ und SNJ helfen dir, den richtigen Weg ins aktive Leben zu finden. Dabei haben sich die drei Partner ein festes Ziel gesetzt: Sobald du bei der Jugendgarantie eingeschrieben bist, engagieren sie sich, dir innerhalb von vier Monaten ein konkretes Angebot zu machen, das dir hilft, deinem Leben einen entscheidenden Kick zu geben.“
Zur Verwirklichung der Jugendgarantie schufen das Arbeits- und das Erziehungsministerium keine neue rechtliche Grundlage oder Einrichtung, sondern setzten laut dem im Mai 2014 verabschiedeten Plan national de mise en œuvre de la Garantie pour la Jeunesse auf die verbesserte Zusammenarbeit der Verwaltungen, die je nach Wunsch der Jugendlichen oder Einschätzung der Ämter zuständig wurden: Wenn sich Arbeitslose zwischen 16 und 24 Jahren bei einer sozialen Einrichtung melden, sollen sie an das Arbeitsamt weitervermittelt werden, falls sie eine Arbeit suchen. Wenn sie wieder zur Schule gehen wollen, ist die Action locale pour jeunes des Service formation professionnelle zuständig. Sind sie unschlüssig, soll der Service national de la jeunesse sie beraten.
Doch anders als es in der Empfehlung des Europäischen Rats steht, bekommen die Jugendlichen keine Beschäftigung oder Ausbildung binnen vier Monaten nach dem Ende ihrer Schule oder nach dem Beginn ihrer Arbeitslosigkeit versprochen. Vielmehr bemüht sich zuerst eine der Verwaltungen oder die Maison de l’orientation während einer „Orientierungsphase“ von vier Monaten, die Jugendlichen zu bewerten und zu beraten, welchen Berufs- oder Bildungsweg sie einschlagen sollen. Erst danach gibt die Verwaltung sich weitere vier Monate Zeit, um eine Beschäftigung oder Ausbildung zu finden.
Während der Orientierungsphase bricht einer von fünf Eingeschriebenen die Beziehungen zu den Verwaltungen wieder ab. Die Gründe sind vielfältig: Weil die Kandidaten inzwischen eine Arbeit gefunden oder das Land verlassen haben, weil sie sich nicht an die Auflagen der Verwaltung halten wollten oder konnten, oder weil sie nicht binnen vier Monaten die versprochene Beschäftigung angeboten bekamen.
Die Jugendlichen, die bis zum Schluss an der Orientierungsphase teilnahmen, müssen einen Vertrag mit der zuständigen Verwaltung abschließen, die sich dann verpflichtet, ein „qualitativ hochwertiges“ Beschäftigungs- oder Ausbildungsangebot zu machen. Die Jugendlichen müssen sich ihrerseits verpflichten, zu den abgemachten Verabredungen, Veranstaltungen und Kursen zu erscheinen und sich an die entsprechenden Vorschriften zu halten.
Der Vertrag läuft darauf hinaus, dass die Verwaltung kein Beschäftigungsangebot machen muss, wenn der Jugendliche sich nicht an die Abmachungen hält. Der Jugendliche hat aber keinerlei Anspruch, wenn die Verwaltung ihm binnen vier Monaten kein Angebot macht. Der Vertrag zwischen den sehr ungleichen Partnern soll Jugendliche, die oft in einer durchorganisierten, bürokratischen Welt verloren sind, zwingen, Verantwortung zu übernehmen.
Zwei Drittel aller Angebote waren Arbeitsverträge. Der Anteil der Beschäftigungsmaßnahmen an den Angeboten ist inzwischen auf ein Viertel gesunken. Die Jugendlichen, die die Schule wieder aufnahmen oder eine Lehre begannen, machten dagegen kaum mehr als fünf Prozent aus.
Nach fünf Jahren erscheint die Jugendgarantie als ein Erfolg, wenn man sie an der von Eurostat veröffentlichte Arbeitslosenrate der Jugendlichen zwischen 15 bis 24 Jahre in Luxemburg misst:
2013 16,9%
2014 22,3%
2015 16,6%
2016 19,1%
2017 15,5%
2018 13,5%
Seit 2014, dem Jahr, als die Jugendgarantie eingeführt wurde, ist die Jugendarbeitslosenrate gesunken. Allerdings sinkt die Arbeitslosenrate seit vier Jahren stetig in allen Altersgruppen, was vor allem die Folge der guten Wirtschaftskonjunktur ist. Aus diesem Grund ist die Zahl der Jugendlichen, die sich für die Jugendgarantie einschrieben, auch zwischen 2015 und 2018 um die Hälfte gesunken, von 3 863 auf 1 915. Das erlaubte es dem Arbeitsministerium sogar, vergangenes Jahr die Jugendgarantie bis zum Alter von 30 Jahren auszuweiten, so dass auch vermehrt arbeitslose Jungakademiker erfasst werden dürften.
Verspricht die Empfehlung des Europäischen Rats allen Jugendlichen, „innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten, nachdem sie arbeitslos werden oder die Schule verlassen, eine hochwertige Arbeitsstelle oder Weiterbildungsmaßnahme oder ein[en] hochwertige[n] Ausbildungs- bzw. Praktikumsplatz“, so geht aus den Statistiken des Arbeitsamts hervor, dass seit der Einführung der Jugendgarantie und bis zum Ende vergangenen Jahres nur 51 Prozent binnen vier Monaten ein solches Angebot gemacht bekamen und es einschließlich der Orientierungsphase dann schon acht Monate waren.
Von den Jugendlichen, die nach der Vorbereitungsphase einen Vertrag unterzeichneten, bekamen 63 Prozent binnen vier Monaten ein Beschäftigungs- oder Ausbildungsangebot. Ein Viertel musste bis zu ein halbes oder ein Jahr warten. Unabhängig von der Wartezeit bekamen 71 aller Eingeschriebenen und 88 Prozent aller Vertragsunterzeichner ein Angebot. Von den 29 beziehungsweise zwölf Prozent ohne Angebot hatte ein Teil auf einem anderen Weg eine Beschäftigung gefunden, war verzogen oder hatte sich nicht an die Auflagen der Verwaltungen gehalten, mit denen er seine „Arbeitsmarktfähigkeit“ unter Beweis stellen sollte.