Leitartikel

Armutsrisiko alleinerziehend

d'Lëtzebuerger Land vom 26.04.2019

Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter. Trotz florierender Wirtschaft und bei niedriger Arbeitslosigkeit stiegen die Gehälter der oberen fünf Prozent in der Gehaltstabelle viel schneller als die der unteren 20 Prozent, schreibt die Salariatskammer in ihrem Panorama social 2019. Die oberen fünf Prozent, die gezählt werden, denn wer mehr als fünf Mal den Mindestlohn verdient, wird nicht erfasst.

Dass Alleinerziehende mit rund 46 Prozent einem deutlich höheren Armutsrisiko ausgesetzt sind als andere Haushalte, ist ein trauriger Fakt, der alle Jahre neu festgestellt wird. Analysen zur materiellen Deprivation von Kindern belegen zudem: Luxemburg steht in der Eurozone insgesamt gut da. Kinder sind hierzulande in der Regel gut versorgt, sie essen gesund, sie haben Internetzugang, sie reisen mit der Familie und mit der Schule. Schaut man allerdings genauer, nach Haushaltstyp, haben Kinder von Alleinerziehenden ein dreieinhalb Mal höheres Risiko, sich das nicht leisten zu können. Luxemburg bildet hier das traurige Schlusslicht.

Die Gründe sind allseits bekannt: Alleinerziehende haben kein zweites Einkommen, auf das sie sich im Notfall stützen können, sie arbeiten öfters Teilzeit, verdienen also in der Regel weniger, sie geben einen größeren Anteil ihres Einkommens für Wohnungskosten aus. Umso bemerkenswerter, dass dieser Befund jedes Jahr wieder gemacht wird … aber wenig bis nichts folgt, was ihre Not lindern würde.

Die Regierungskoalition hat versprochen, sich dem Problem endlich anzunehmen. Dafür braucht sie zunächst einmal belastbare Daten. Doch es fehlt an Detailstudien zum höheren Armutsrisiko von Alleinerziehendenhaushalten, sei es steuerlich, ihre Wohnsituation, Einkommensquellen, um darauf aufbauend Instrumente zu entwickeln, die dieser Risikogruppe helfen. Statistiken, die in anderen Ländern eine Selbstverständlichkeit sind, fehlen seit Jahren. Etwa zu den (geleisteten) Unterhaltszahlungen. Alleinerziehende Mütter und Väter waren oftmals nicht immer arm, sondern geraten durch Scheidung oder Trennung in existenzielle Geldnot. Wie viele von ihnen haben Anspruch auf Unterhaltszahlungen und wie oft bekommen sie diese auch?

Anwälte mahnen seit Jahren transparente Berechnungsweisen zur Festsetzung des Unterhalts an. Und verbesserte, unkomplizierte Prozeduren, den Anspruch durchzusetzen. Im Falle einer Trennung hat ein/e Alleinerziehende/r in der Regel Anspruch auf 250 bis maximal 400 Euro monatlich Unterhalt für das gemeinsame Kind, das bei ihm/ihr wohnt. Der Betrag ist trotz Inflation seit Jahren unverändert. Begründet wird er von den Gerichten damit, dass wegen hoher Wohnkosten der/die Ex-Partner/in nicht stärker belastet werden dürfe. Das stimmt sicher in vielen Fällen, aber stimmt es immer? Und was, wenn er oder sie nicht zahlt? Ein Mahnbrief vom Anwalt, um das säumige Geld einzufordern, kostet um die 250 Euro, das rechnet sich also kaum.

Unterhalt wird fürs gemeinsame Kind gezahlt. Es hat ein Recht darauf, auch nach der Trennung würdevoll aufzuwachsen. Auf Antrag und in dringenden Fällen springt der Fonds national de la solidarité (FNS) ein und bezahlt ersatzweise Unterhalt für den geschiedenen Partner. Weil die Zahlungsmoral vieler Ex-Partner so schlecht ist, stieg die Zahl der zumeist weiblichen Antragsteller bis 2016. In Deutschland, wo der Staat quasi als Vorschuss bei säumigen Unterhaltszahlungen einspringt, ergab eine Analyse: Der Vorschuss ist oft gar kein Vorschuss, weil das säumige Geld nicht eingefordert werden kann und viele Säumige sich zudem bewusst arm rechneten, um nicht zahlen zu müssen. Um die Bedürfnisse ihrer Kinder ging es ihnen dabei weniger; eher darum, dem ehemaligen Lebenspartner eins auszuwischen.

Ines Kurschat
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