Als die Tripartite im September 2022 entschied, für kleine Verbraucher den Strom- und den Gaspreis zu deckeln, war das als eine bis Ende 2023 befristete Maßnahme gedacht: Solange sollte der Gaspreis auf der Rechnung maximal 15 Prozent höher werden dürfen als im September 2022. Der Strompreis dürfe gar nicht steigen.
Doch schon vier Monate später sagte der damalige Energieminister Claude Turmes (Grüne) dem Land, er gehe davon aus, dass die Energiepreise „auch 2024 und 2025 hoch bleiben und die Unterstützungsmaßnahmen weitergeführt werden müssen“ (d’Land, 13.1.2023).
Damit sollte Turmes recht behalten. Die Verlängerung bis Ende 2024 wurde von der Tripartite im März 2023 beschlossen. Für eine Fortsetzung bis Ende 2025 will Wirtschaftsminister Lex Del-
les (DP) dem Regierungsrat demnächst einen Vorschlag unterbreiten. Wie vor einem Jahr, wird der „Inflationsschock“ gefürchtet, der einsetzen könnte, sobald die Preisdeckel aufgehoben werden. Vergangene Woche hatte das Statec vorgerechnet, dass die Inflationsentwicklung in den letzten Monaten schwächer verlaufen sei, als noch im Herbst angenommen. So dass für 2024 beim aktuellen Stand mit einer Jahresinflationsrate von 2,2 Prozent zu rechnen sei. Dagegen dürfte sie während des gesamten Jahres 2025 drei Prozent übersteigen, falls es zum Neujahrstag die Preisdeckel nicht mehr gibt. Die Gaspreise auf der Rechnung könnten dann um 17 Prozent anziehen, die Strompreise sogar um 60 Prozent.
Die Regierung ist natürlich alarmiert, weil solche Szenarien nach Indextranchen aussehen. Ohne die Preisdeckel, geht aus der Statnews 05/2024 vom 8. Februar hervor, hätte 2022 die Jahresinflationsrate 7,6 Prozent erreicht, vergangenes Jahr 6,6 Prozent und würde dieses Jahr wohl 3,3 Prozent betragen. Was zwischen März 2022 und dem letzten Quartal dieses Jahres sieben Indextranchen ergeben hätte. Dank der Deckel aber sei die Inflationsrate hierzulande eine der niedrigsten im Euroraum; die nächste Indextranche erwartet das Statec erst im vierten Quartal dieses Jahres, träten die Deckelungen zum Jahresende außer Kraft, sei mit der nächsten Tranche schon im dritten Quartal 2025 zu rechnen.
Wie sich der Wegfall der Deckel konkret auf den Rechnungen bemerkbar machen würde, hatte sich schon in der Woche vor Weihnachten abgezeichnet: Die Regulierungsbehörde ILR legte die Gutschrift fest, die Verbraucher aufgrund des Strompreis-Deckels auf ihrer Rechnung erhalten. Während der Gaspreis durch Zahlungen der Staatskasse beim Lieferanten gemindert wird, läuft die Strompreis-Deckelung über den Kompensationsfonds. In diesen Fonds zahlen kleine wie große Verbraucher ein, um den Netzbetreibern Mehrkosten auszugleichen, wenn sie in Luxemburg produzierten grünen Strom zu Vorzugspreisen ins Netz nehmen, statt an der Strombörse einzukaufen, wo der Strom oft (nicht immer) billiger ist. Wer weniger als 25 Megawattstunden im Jahr verbraucht, was nicht nur Haushaltskunden sind, sondern auch kleine Betriebe, erhält dieses Jahr 115,50 Euro pro Megawattstunde gutgeschrieben. Für einen Standardhaushalt, der vier Megawattstunden im Jahr bezieht, macht das 462 Euro. Ohne Strompreis-Deckel wäre die Rechnung schon mal um diesen Betrag höher.
Wird die Preisdeckelung bis Ende 2025 verlängert, könnte sich in einem Jahr die spannende Frage stellen, wie es 2026 weitergeht. Vielleicht. Denn das Statec hatte für seine Note de conjoncture 1/2023 ermittelt, dass die Luxemburger Stromversorger sehr langfristig am europäischen Markt einkaufen: „Les volumes d’électricité sont en effet acquis quelques années avant la date où ils sont fournis“ (S. 100).
Relevant werden könnte, wann die Bestellungen erfolgten. Wer im Moment an der europäischen Strombörse EEX im Termingeschäft bestellt, zahlt für eine Lieferung im nächsten Jahr 81 Euro für eine Megawattstunde Grundlaststrom, 91 Euro für Spitzenlaststrom. Das sind die Preise für den deutschen Markt; Luxemburg gehört zur „Regelzone“ Deutschland. Für 2026 sind die Preise niedriger: 76 Euro die Megawattstunde Grundlaststrom, knapp 87 Euro für die Spitzenlast.
Das ist noch immer deutlich mehr als die 50 Euro, die eine Grundlast-Megawattstunde vor dem Sommer 2021 kostete, ehe die Energiemärkte weltweit durcheinander geraten waren. Vor einem Jahr jedoch wurde an der EEX eine Megawattstunde Grundlast mit 160 Euro gehandelt. Damals galt das als „beruhigend“, weil der Preis Ende 2022 noch bei 220 Euro gelegen hatte (d’Land, 17.2.2023). Von Anfang 2023 aber ist es gar nicht so weit bis 2026, wenn die Versorger den Strom „quelques années“ im Voraus ordern. Hinzu kommt: Die Strombörse preist auch ein, was in Deutschland die Umsetzung der „Energiewende“ kostet. Wie sie voriges Jahr am französischen Terminmarkt auch die Reparaturbedürftigkeit von Atomkraftwerken einpreiste. Gut möglich, dass der Strompreis in Luxemburg strukturell steigt, und dass er nie mehr so niedrig wird, wie vor dem Sommer 2021.