In den 1980-er Jahren produzierte Hollywood eine Vielzahl von Filmen, in denen die Action zur wichtigsten narrativen Triebfeder wurde. Diese Unterhaltungsfilme, die vor dem Hintergrund der Werbeästhetik Themen wie die Rache für den Vietnamkrieg (Rambo, Missing in action, Delta Force...), die Verurteilung der Abweichungen der amerikanischen Gesellschaft (Cobra, Robocop, Death Wish, Dirty Harry...) oder die manichäische Figuration von siegreichen Helden (Rocky, Die Hard, Conan the Barbarian...) in Szene setzten, wurden damals sehr schnell als „Flugzeugträger“ der Reagan-Propaganda angesehen. Ein buchstäblicher Flugzeugträger-Film war Top Gun (1986) unter der Regie von Tony Scott mit Tom Cruise und Kelly McGillis in den Hauptrollen – eine ideologische Mobilmachung in Zeiten einer zweigeteilten Welt, zwischen Ost und West mit einer Weltanschauung, die heute vielleicht wieder virulenter geworden ist.
Mit Top Gun: Maverick kommt 36 Jahre später eine Fortsetzung in die Kinos: Der einstmalige Kampffliegerpilot und Absolvent der Top-Gun-Schule Pete Mitchell, alias Maverick (Tom Cruise), beginnt als Fluglehrer für die Basis zu arbeiten. Seine Aufgabe besteht darin, die besten Flugpiloten auf eine Mission der Superlative, den Angriff auf eine unterirdische Atomanlage, vorzubereiten. Dabei stößt er auf allerlei Widerstand und so geht es, ganz in der narrativen Struktur der konventionellen Helden-Konstruktion, um die Rehabilitation durch die Tat. Maverick muss sich zunächst gegen einige umgreifende Vorverurteilungen zur Wehr setzen: Seine Vorgesetzten schätzen seine ungestümen Methoden nicht, wollen ihn ausweisen, ja ohnehin scheint das einstige Fliegerass obsolet geworden zu sein in einer Zeit in der unbemannte Drohnenraketen den Piloten ersetzen. Tiefer aber sitzt die Wunde bezüglich seines Verhältnisses zu dem jungen Kampfflieger Bratshaw (Miles Teller), dem Sohn seines einstigen Wing-Mans Goose…
Top Gun: Maverick ist ein Film ohne wahrhaftige Identität. Dem Neuen sind durch die Rückbesinnung auf das Alte enge Grenzen gesetzt, so sehr folgt die Fortsetzung der Logik des Aufrufens der gleichen Schauwerte, mit denen auch das Achtziger-Original glänzte. Das funktioniert mal mit mehr und mal mit weniger Nostalgie. Da wie hier gibt es den Einstieg über den Titelhit Danger Zone von Kenny Loggins, da wie hier sehen wir die nackten, braungebrannten Männerkörper, das breite Grinsen von Tom Cruise, das seine weißen Zähne prominent in Szene setzt – einzig die schwülstigen Synthesizer-Klänge von Giorgio Moroder über den blutroten Sonnenuntergängen fehlen, um diesen Film in seiner Ummantelung aus triefender Romantisierung vollends aufgehen zu lassen. Ungeachtet dessen ist Top Gun: Maverick ein Blockbusterfilm, der konsequent die Emotionen eines breiten Publikums ganz unverhohlen an den geeigneten Stellen zu evozieren weiß, eine Partitur aus Pathos, Heroismus und Männerkult. Sieht man von der offenkundigen Militärpropaganda und seiner Kofinanzierung durch das US-Militär ab, ignoriert man obendrein seine aufgrund der Corona-Pandemie verzögerte Veröffentlichung, die sich nun inmitten der Invasion der Ukraine durch Russland vollzieht, übersieht man zudem den Umstand, dass Frauen im Hollywoodkino merkwürdigerweise anders zu altern scheinen als Männer – Kelly McGillis wurde sozusagen durch Jennifer Connelly ersetzt – und wenn man ferner das belanglose und in jeder Wendung absehbare Drehbuch von Anfang an nicht achtet und sich stattdessen auf die actionbetonten Szenerien konzentriert, dann erzeugt Top Gun: Maverick in seinen besten Momenten jene filmische Spannung, die ein breites Publikum zu packen weiß und dies ungeachtet der wohltuenden Gewissheit der Zuschauer, dass diese schier unmögliche Mission dann doch nicht so unmöglich ist für diesen Helden „Maverick“, dessen Ausstrahlung längst die Grenzen zwischen der Rolle und dem öffentlichen und medienwirksamen Image des Schauspielers Tom Cruise diffus hat werden lassen.