Die American Molding Powder and Chemical Corporation produziert Rohmaterial für die Kunststoffindustrie: Granulate aus Pigmenten und Zusatzstoffen, die unter das Rohpolymer gerührt werden. Sie bestimmen Farbe und Eigenschaften der fertigen Plastikprodukte.
Mit 26 Fabriken in 19 Ländern gehört Ampacet weltweit zu den Marktführerinnen. 1995 etablierte sie ihre Europa-Zentrale auf dem Wandhaff bei Koerich. Dort sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht. Dort spart die New-Yorker Aktionärsfamilie Alexander Steuern. Vor zehn Jahren zog Ampacet nach Düdelingen. Und nahm die Produktion in einer von Husky verlassenen Halle auf.
2022 stieg der Umsatz der Düdelinger Fabrik um 20 Prozent. Der Nettogewinn sogar um 24 Prozent. Mit 71 Beschäftigten bilanzierte sie 3,67 Millionen Euro Profit: Im Durchschnitt leistete jeder Arbeiter für 51 681 Euro unbezahlte Mehrarbeit: 4 307 Euro im Monat. Mehr als der eigene Lohn.
Direktor Marcello Bergamo versprach der Aktionärsfamilie, dass es 2023 so weitergeht. Er hatte sich mit dem Ukraine-Krieg, der Inflation, den Zinserhöhungen verrechnet. Im Sommer lag der Umsatz 30 Prozent unter dem Budget. Doch „la direction a identifié et activé plusieurs leviers afin d’adapter sa capacité de production et limiter l’impact sur ces coûts“. Beteuerte er am 28. Juni 2023 in seinem Rechenschaftsbericht.
Gemeint war eine Senkung der Lohnkosten. Ampacet kündigte den Kollektivvertrag, rief das Nationale Schlichtungsamt an und lehnte die Schlichtung ab: Der Tarifvertrag war abgeschafft. Den knapp über dem Mindestlohn bezahlten Beschäftigten drohten Lohneinbußen.
Der OGBL-Ausschuss organisierte eine Urabstimmung. 54 von 60 Beschäftigten stimmten für einen Streik. Keinen halbherzigen Warnstreik – einen unbefristeten. Er begann mit der Frühschicht vom 27. November.
Die Direktion wollte mit einer einstweiligen Verfügung die Streikenden aussperren. Sie rief die Polizei. Sie drohte, die Nikolausgeschenke für die Kinder und 100 Euro Weihnachtsgeld zu streichen.
Statt Lohn erhielten die Streikenden täglich 42 Euro Streikgeld. Beschäftigte anderer Betriebe spendeten 85 000 Euro für die Streikkasse. Der OGBL stellte die Logistik. Gemeindeverwaltungen, Privatpersonen brachten in Schnee und Regen Lebensmittel und Brennholz. Politiker überbrachten warme Worte. 14 Jahre lang verpassten Arbeitsminister der LSAP die Gelegenheit, das schikanöse Kollektivvertragsgesetz zu verbessern. Der Ausschussmann des LCGB war Streikbrecher.
Im Januar 1995 wurde Jean-Claude Juncker Premierminister. Als ersten politischen Akt vermittelte er zwischen streikenden Fliesenlegern und Handwerksbetrieben. Der Christlichsoziale hielt den sozialen Frieden für vorteilhaft. Sein Nachfolger Luc Frieden wollte bei Ampacet nicht vermitteln. Er wollte dem Klassenkampf von oben nicht im Weg stehen. Handelskammer und Fedil hofften, dass Ampacet ein Exempel statuierte. Dass eine Niederlage die Gewerkschaften schwächte. Denn Luc Frieden hat noch viel vor: „D’Aarbechtsrecht ass op ville Plazen net méi der moderner Aarbechtswelt ugepasst“ (Regierungserklärung vom 22.11.2023).
Nach 25 Tagen Streik erreichte der Einnahmenausfall von Ampacet drei Millionen Euro. Das entsprach dem Jahresgewinn. Kurz vor Weihnachten kapitulierte Ebenezer Scrooge: Der Kollektivvertrag bleibt bestehen. Diesen Monat gibt es eine Prämie von 600 Euro. Die Löhne steigen jährlich um 1,2 Prozent. Der Zuschlag für die Nachtschicht wird von 16 auf 17 Prozent erhöht. Nach sechs Jahren winkt ein Aufstieg in eine höhere Lohngruppe.
Die Direktion von Ampacet hatte sich zum zweiten Mal verrechnet. Die Handelskammer, die Fedil, ihr Premierminister hatten sich verrechnet. 54 mutige Arbeiterinnen und Arbeiter triumphierten über sie alle. Weil sie gemeinsam unumgänglich waren. Sie stellten fest, dass die Aktionärsfamilie sie braucht. Damit die Maschinen drehen. Nicht auszudenken, wenn sie entdeckten, dass die Maschinen auch ohne Aktionärsfamilie drehen.