Am Mittwoch vergangener Woche las Premier Luc Frieden dem Parlament seine Regierungserklärung vor: „Un dës Wunnengsbaukris ass elo eng Baukris dobäi komm, déi e groussen Impakt op vill kleng a mëttel Betriber am Bau an Handwierk a ville Beruffer ronderëm de Bau, wéi Architekten an Ingenieure, mat sech gezunn huet.“ Der Impakt auf Maurer und Baggerführer war nicht der Rede wert.
Einen Tag später feierten Firmeninhaberinnen und leitende Angestellte die Baukrise auf ihre Weise. Im Festsaal des Cercle Cité kürten sie einen der Ihren zum Unternehmer des Jahres: Marc Giorgetti. „[L]e groupe Félix Giorgetti est l’un des leaders de la construction et de la promotion immobilière au Luxembourg.“ So die gastgebende Firma Ernst and Young.
Man kennt sich: Der damalige Managing Partner von Ernst and Young half 2013 beim liberalen „Wiessel“ und beim Steuerkapitel des Koalitionsvertrags. Man schätzt sich: Zwei Wochen vor den Wahlen 2023 fuhren CSV- und DP-Spitzen nach Monnerich und huldigten dem dort Hof haltenden Marc Giorgetti.
Schon vor Abschluss der Koalitionsverhandlungen erwiesen CSV und DP der Steuervermeidungsindustrie eine kleine Aufmerksamkeit. Sie servierten Ernst and Young, KPMG, Deloitte, PwC und Anwaltskanzleien auf einem silbernen Tablett den Kopf von Pascale Toussing. Der Direktorin des Steueramts gebrach es an Herzlichkeit für die Agenten des durch Luxemburg geschleusten fiktiven Kapitals. CSV und DP wollen „renforcer la relation de confiance entre les contribuables et les administrations fiscales“ (Accord de coalition 2023-2028, S. 36).
LSAP, Grüne und selbst Teile der DP bedienten die herrschenden Klassen nicht aus Überzeugung. Sondern weil das eben zum Regieren gehört. Luc Frieden tut es aus Überzeugung. Er hat die Interessen der herrschenden Klassen verinnerlicht.
Wie in den Nachbarländern reagierte die linksliberale Regierung mit dem ökonomischen Ausnahmezustand auf die Corona-Seuche und den Ukraine-Krieg. Sie verstaatlichte umfangreiche Kosten der Kapitalverwertung. Die rechtsliberale Regierung verfolgt das gleiche Ziel. Sie passt die Methode an.
Die CSV/DP-Koalition kann den ökonomischen Ausnahmezustand nicht unbegrenzt fortsetzen. Sie will zurück zu konventionelleren Mitteln. Statt radikaler Kostenverstaatlichung versprach die Regierungserklärung das alte Hausrezept der Liberalen: „Mir wëlle souwuel steierlech wéi bei de Prozeduren aktiv ginn.“
„Nieft der steierlecher Ënnerstëtzung bei der digitaler an ekologescher Transitioun wëlle mer d’Kierperschaftssteier, déi d’Betrieber bezuelen, op d’Moyenne vun dem Steiersaz an den OCDE-Länner mëttelfristeg erofbréngen.“ Auch seien „d’Prozeduren ze laang an ze komplizéiert“. Gemeint war die Regulierung der Geschäfte. „Mir wäerten d’Prozeduren iwwerkucken, fir se méi schnell an effikass fir d’Betriber ze maachen.“ Ob Arbeitsrecht, Bauwirtschaft, Umweltschutz, Finanzplatz, Energiewende, Digitalisierung – weniger Steuern und weniger Vorschriften sollen die Betriebskosten senken, den Mehrwert erhöhen.
Die vorige Koalition ließ nie einen Zweifel daran, dass sie ihre Wirtschaftspolitik durch Schulden finanziert. Weil alle in den Krisen etwas abbekamen, gab es kaum Kritik. Die Wirtschaftspolitik von CSV und DP bedient nicht mehr alle. Deshalb lassen sie die Finanzierung im Unklaren. Die Opposition ruft Luc Frieden zu „Gegenfinanzierung“ auf. So drängt der Austeritätspolitiker sie in seine Rolle.
Die Regierungserklärung versprach „nohaltegen an inklusive Wuesstem“. Das Statec meint, dass die Wirtschaft derzeit überhaupt nicht wächst. Also vertrösten CSV und DP auf den nächsten Konjunkturaufschwung. Weil es nie so schlimm kommt, wie vom Statec vorhergesagt. Weil die fremden Eigentümer von Fongen, Banken und Briefkastenfirmen stets etwas Trinkgeld auf dem Tisch zurücklassen. Damit der Finanzminister Ruhe und Ordnung im Triple-A gewährleisten kann.