Steven Spielberg darf umstandslos als der bekannteste amerikanische Filmemacher der Gegenwart gelten. Kaum ein anderer Regisseur hat im Lauf der Jahre ein so umfangreiches und kommerziell überaus erfolgreiches Werk geschaffen wie der nun 76-jährige Spielberg. Seine Karriere, sein Einstieg ins Filmgeschäft und sein Weltruhm, der ungemein früh einsetzte, sind längst Legende, ja seit dem Erfolg von Jaws 1975, der das kommerzielle System des amerikanischen Kinos mit dem Konzept des Blockbusters neu erfand, ging ihm der Ruf des Wunderkindes voraus – ein Image, das Spielberg unter bester Kenntnis der französischen Autorentheorie und der Vermarktungsstrategien eines Alfred Hitchcock für sich selbst zu nutzen wusste. Man kann die Wesenszüge seines Werks wohl als „Spielbergianismus“ bezeichnen, als die Lehre um die Weltsicht und die Identität dieses Regisseurs, dessen Motive in genreübergreifenden Konstanten auszumachen sind: Die dysfunktionale Familie, meist ausgelöst durch die fehlende Vaterfigur, die mithin bestritten werden muss, etwa in Jurassic Park, Saving Private Ryan, Indiana Jones, Hook, War of the Worlds, ist im Kern auch immer eine Zementierung der amerikanischen Kleinfamilie und des Vorstadtlebens – in E.T. oder Catch Me if You Can. Sie steht auf einer anderen Ebene wie die Frage nach der jüdischen Identität in Schindler’s List oder Munich. Und nicht zuletzt ist da der kindlich-naive, unschuldige Blick auf die große Welt. Dass Spielbergs Filme hochgradig autobiografisch geprägt sind, ist ebenfalls hinlänglich bekannt. Immer wieder hat er auf den kreativen Nährboden des eigenen Lebens hingewiesen und damit den Lektüreschlüssel der „Autotherapie qua Film“ angeboten, ein Umstand, der 2017 zum 70. Geburtstag des Regisseurs in der HBO-Dokumentation Spielberg gipfelte.
Mit The Fabelmans hat er aber einen offenkundig autobiografischen Film gedreht – fast möchte man meinen, einen Film von einer zwanghaft-neurotischen Neigung. In ihm teilt Spielberg nun unmissverständlich sein Leben als Fiktionsfilm. Aufrichtig und humorvoll, selbstironisch und schamlos, unmittelbar und unverhohlen sich selbst vermarktend, das Narrativ des Wunderkindes beständig bestätigend: Wir begleiten die titelgebende Familie Fabelman ab den 1950-er Jahren von New Jersey nach Arizona und schließlich nach Kalifornien. Der Held ist Sammy Fabelman (Gabriel LaBelle), ein unscheinbarer, aneckender und schüchterner Junge, dessen atypische Wesenszüge Ausdruck eines tief schlummernden Talentes sind. Er hat eine Gabe für die Kunst des Filmschaffens, die eine große und ruhmreiche Karriere verspricht. Das „all-american“-Familienglück droht indes zu zerbrechen, als der Vater Burt (Paul Dano) die berufliche Karriere der Familienstabilität vorzieht und die Mutter Mitzi (Michelle Williams) eine Affäre mit dem Onkel Benny Loewy (Seth Rogen) beginnt. Für den jungen Sammy bahnt sich plötzlich das Trauma an, das sein Leben fortwährend prägen wird. Es ist der Blick des Kindes, des Jugendlichen, des jungen Erwachsenen auf die Welt, der The Fabelmans – nahezu als Stationendrama angelegt – strukturell prägt. Aus Sammys kreativer Berufung, die der Vater nur als Hobby billigt, erwächst eine stärkere Affektion zur Mutter, die an das Talent ihres Sohnes und mithin an die Wirkungsmacht der Bewegtbilder glaubt. Dass der Hauptdarsteller Gabriel LaBelle dem jungen Spielberg wie aus dem Gesicht geschnitten ist, wirkt da nur noch wie eine ausgesprochen ehrliche Dreingabe – konsequenterweise hätte der Film The Spielbergs heißen müssen. Immer noch Autotherapie, bezieht dieser Film seine konsensstiftenden Bezugspunkte aus den universellen Themen der Familie, der Liebe, der Leidenschaft. Die direkte Offenheit, deren vermeintliche Ehrlichkeit auch als Selbsthuldigung gewertet werden darf, machen aus The Fabelmans einen Film, der wohl nicht nur die amerikanische Seele der Filmbegeisterten tiefgründig berühren wird.