Die Zeit drängt – das macht der britische Regisseur Guy Ritchie in der Eingangssequenz seines neuen Films Operation Fortune durch einen Kniff im Sounddesign ganz unmissverständlich klar. Der Chef einer Spezialeinheit des britischen Geheimdienstes, Nathan Jasmine (Carry Elwes), wird an einem Sonntag frühmorgens ins Büro gerufen. Ein globales Chaos drohe auszubrechen. Wie, wann und warum, ist nicht bekannt, aber Jasmine soll ein Team aus versierten Superagenten zusammenstellen. Nur sie könnten die Gefahr noch abwenden. Opera-
tion Fortune drängt mit seiner Prämisse ganz direkt zum Kern heutiger Agentenfilme vor. Tatsächlich darf angenommen werden, dass spätestens mit einem Film wie Mission Impossible: Ghost Protocol (2011) eine Zäsur im Genre markiert wurde. Denn auch in Operation Fortune folgt Guy Ritchie implizit jenem Muster, das die Frage nach der Legitimität und der Daseinsberechtigung einer Superagenten-Einheit stellt. Im benachbarten Franchise der James-Bond-Reihe wurde diese Frage seit Skyfall (2012) durchgehend verhandelt. Man möchte meinen, es ist die einzige, die Agentenfilme heute noch zu stellen vermögen. Und immer wieder lautet ihre Antwort: Ja, es braucht sie noch. In einer globalisierten Welt, in der der Terrorismus die Feindbilder diffus und gar unsichtbar macht, sogar mehr denn je. Dabei ist es am Ende unerheblich, wie viel Schaden und Chaos das Agententeam hinterlässt, immerhin geht es um nichts weniger als die Rettung der Welt.
Das ist auch in Operation Fortune nicht anders: In bekannter Hitchcock-Manier wird uns der Macguffin präsentiert, ein leer gesetztes Objekt, das die Handlung in Gang bringt. Hier ist es eine Geheimwaffe, die nur unter dem Namen „The Handle“ bekannt ist. Sie gilt es, ausfindig zu machen. Dafür braucht es einen erfahrenen Agenten, den Jasmine glaubt, mit Orson Fortune (Jason Statham) anbieten zu können. Das Problem ist nur: Fortune ist ein Exzentriker und Lebemann, dessen extravaganter Lebensstil dem Geheimdienst zu teuer wird. Doch er hat die ausgeklügeltsten Ideen: Um an den zentralen Kontaktmann des Komplotts, Greg Simmonds (Hugh Grant), heranzukommen, soll dessen Schwäche für den Filmstar Danny Francesco (Josh Harnett) ausgenutzt werden…
Es dürfte bei der Aufschlüsselung dieses stark überkonstruierten Plots nicht verwundern, dass er lediglich Aufhänger für das Abspielen bekannter Schauwerte ist, die die Codes des Agentenfilms ausmachen: exotische Schauplätze, übergroße Bösewichte auf übergroßen Luxusyachten, wilde Schießereien, rasante Verfolgungsjagden. Ja, Guy Ritchie zitiert diese Genreelemente, indem er sich auf ein höchst ironisches Spiel mit ihnen einlässt – eine Über-Akkumulation von Genre-Topoi, die dann auch noch in das Konkurrenzverhältnis zweier Spezialeinheiten mündet. „Competition for the best condition“ heißt es da. Zu keinem Moment ist an die Sterblichkeit dieses Orson Fortune – sein Name eilt ihm da weit voraus – wirklich ernsthaft zu glauben. Guy Ritchie wäre eben nicht Guy Ritchie, würde er die oben angeführte Prämisse nicht mit dem Gestus der lustvollen Persiflage aller ernsthaften Dramatik berauben, die einen James Bond der Daniel-Craig-Ära oder einen Ethan Hunt bestimmt. Ferner führt er die metareflexive Ebene fort, die er 2019 in The Gentlemen so unverhohlen aufmachte. Den Angriff dieses Films auf die politische Korrektheit nimmt er indes etwas zurück, stellt der Männerdomäne eine ebenbürtige Agentin in der Figur der IT-Expertin Sarah Fidel (Aubrey Plaza) entgegen. Seine Zweifel an den Umbrüchen in der Filmwelt, genauer: in den Genrewelten, die Hollywood seit jeher zeichnete, stellt er jedoch nicht ein. Operation Fortune beinhaltet sich am Ende gewissermaßen selbst. Insofern ist denn auch die unverhohlene Arroganz des Superagenten Fortune ein Stück weit auch diesem Guy Ritchie eigen: Sein Film ist filmreif.