Hurra, der Wirtschafts- und Sozialrat (WSR) ist wieder da! Lange Zeit war er ab- und weggetaucht, weder funktions- noch beschlussfähig. Jetzt wurde er reanimiert, und gleich beim ersten Treffen hat man sich auf neue Spielregeln und ein neues Arbeitsprogramm einigen können. In Zukunft möchte man Themen vermeiden, die zu endlosen, sterilen, unnützen Diskussionen und Streitereien führen. „On évite les sujets qui fâchent”, das Prinzip kennt man ja. In der Tat macht es keinen guten Eindruck, wenn man sich immer in den Haaren liegt und sich nicht einmal auf eine gemeinsame Diagnose einigen kann. Geht es uns jetzt gut oder nicht? Verarmen wirschon oder gilt das erst für die nächste Generation? Die Luxemburger sind ja nicht nur obrigkeitshörig – zumindest im europäischen Vergleich –, sie sind auch sehr harmoniebedürftig. Ganz Luxemburg ist wie ein Wasserbett: Drückt man unten, steigt das Niveau oben, dann schnell gegendrücken, und alles bleibt im grünen Bereich.
Der „neue” WSR, eine Konsens-, ja Schnarchtruppe? Macht das überhaupt noch Spaß? Und was bringt das dem Land? Schließlich wurde der WSR ins Leben gerufen, um die Regierung zu beraten, gerade in Bereichen, wo eine Lösung nicht unbedingt auf der Hand liegt, wo es Abstimmungsbedarf gibt, wo die Notwendigkeit eines Interessens[-]ausgleichs besteht. Der WSR, noch sicht-lich geschockt von den Ereignissen, die zu seiner Zwangspause geführt haben, möchte in Zukunft selbst darüber bestimmen, was ansteht. Eine ziemlich großzügige Auslegung des Selbstbefassungsrechts, wobei letzteres dem Gremium ja zusteht.
Themen, die nicht konsensfähig sind – siehe Lohnindexierung oder Pensionsreform – sollen im Moment ausgeklammert werden. Ganz oben auf der „PIB du bien-être”, die Lage auf dem Wohnungsmarkt sowie eine Analyse der Perspektiven in ausgewählten Wirt-schaftssektoren. Auch das traditionsreiche Gutachten zur wirtschaftlichen, sozialen und finanziellen Lage des Landes soll (vorerst?) nicht mehr geliefert werden. Die Regierung muss sich also eine andere Inspirations-quelle suchen, wenn sie denn eine braucht.
Achtung, wir beschreiben hier keineswegs die Lightversion eines WSR. Es ist einfach nur so, dass das, was den Betrieb unnötig aufhalten könnte, ignoriert werden soll. Stichwort „Zukunftstisch”. Hier kann dann neuer Wein in alte Schläuche gefüllt werden. Die Gegenwart wird links (oder rechts) liegen gelassen – jetzt wird nach vorne geschaut, Freunde. Bei der Suche nach Alternativen zur Wohlstandsmessung kann nicht viel Porzellan zerschlagen werden, daran haben sich bereits andere die Zähne ausgebissen. Wohnungsmarkt ist immer gut. Das Thema hatte wir zwar schon, aber egal. Eine gute Gelegenheit, noch einmal die Teuerung zu beklagen, die Spekulanten zu beschimpfen, die Förderung des sozialen Wohnungsbaus zu fordern, den Wohnungspakt der Regierung zu loben, die Bedeutung der Gemeinden zu unterstreichen, den offiziellen Beschluss des sektoriellen Plans zum Wohnungsbau einzufordern. Was die nüancierte Betrachtung der Wirtschaftsperspektiven angeht, sollte man an die gute Stimmung denken und Branchen behandeln, die eher wenig Probleme bereiten… wenn es sie noch gibt.
Es soll „ruhig diskutiert” werden in diesen hektischen Zeiten. Bevor ein Thema behandelt wird, soll geprüft werden, ob es überhaupt zu einem guten Ende, sprich einer gemeinsamen Stellungnahme kommen kann. Wir dürfen uns jedenfalls auf schöne Gutachten freuen.