Umfragen gibt es (fast) wie Sand am Meer. Gute und schlechte, bezahlte und unbezahlte, improvisierte oder von langer Hand vorbereitete, mündliche, schriftliche, telefonische und selbstverständlich auch Online-Umfragen. In „Umfrage“ liegt „Frage“: Es kommt im Wesentlichen auf die Substanz der Fragen an, wobei die Motivation des Fragestellers und die Umfragebedingungen natürlich auch eine Rolle spielen. Selbstverständlich wird Luxemburg vom Umfragefieber nicht verschont, und das ist gut so. Ohne intelligente Umfragen würden uns manchmal wichtige Informationen und Entscheidungshilfen fehlen.
Am 20. September veröffentlichten das Luxemburger Wort und die (inzwischen eingestellte) La Voix du Luxembourg ihren traditionellen „Politmonitor“. Unsere Spitzenpolitiker – nicht jeder Politiker ist spitze, aber das ist ein anderes Thema – wurden wieder einmal nach Kompetenz- und Sympathie-Werten eingestuft. Unter den ersten neun befinden sich jeweils sieben CSV- und zwei LSAP-Politiker/innen. Die Kompetenzwerte sind sehr hoch: Dreimal werden über 75 Prozent Zustimmung erreicht, der „primus inter pares“ beeindruckt mit 92 Prozent. Ähnliches Bild bei den Sympathiewerten, obwohl diese leicht darunter liegen: Drei Minister erreichen wenigstens 66 Prozent Zustimmung, der Klassenerste sogar 84 Prozent. Ob die Veröffentlichung dieser Zahlen, knapp drei Wochen vor den Kommunalwahlen – viele unserer Nationalpolitiker sind ja auch auch Lokalpolitiker, oder umgekehrt – rechtens war, wird an anderer Stelle entschieden. Dass eine solch personenbezogene Umfrage ein gewisses Anschubpotenzial besitzt, ist allerdings nicht von der Hand zu weisen. Interessant sind die Beschwörungen, die vor der Tür stehenden Wahlen hätte nichts mit nationaler Politik zu tun. Dies in einem Land, in dem kein Ort mehr als 30 Kilometer vom Ausland entfernt ist, in dem der Ämterkumul ganz groß geschrieben wird und in dem ein lokales Problem schnell zu einem nationalen Problem werden kann!
Die angesprochene Umfrage gibt aber noch mehr her, beispiels-weise Informationen über die allgemeine beziehungsweise persönliche wirtschaftliche Lage. 76 Prozent finden, dass es Luxemburg (sehr) gut geht; 88 Prozent sind mit der eigenen finanziell-materiellen Lage (sehr) zufrieden. Was für ein glückliches Volk wir doch sind. Sieben von zehn Befragten sind für die Abschaffung der Krisensteuer. Sieben von zehn, sensationell. Was ist mit den drei anderen? Haben sie die Frage nicht verstanden? Die Hälfte der Befragten wäre übrigens damit einverstanden, wenn nur noch eine einzige Index-Tranche pro Jahr erfallen würde. Toll. Was schwebt denn den Gegnern dieses gutgemeinten Vorschlags vor? Zwei, drei, vier Tranchen pro Jahr?
Auch RTL liebt Umfragen. Die Kollegen sind ständig mit dem Mikro unterwegs um dieses und jenes zu „umfragen“: Wie stehen Sie zum Euro? Zu Griechenland? Zu den Grenzgängern? Zur Bevölkerungsentwicklung? Zur Universität? Als vor kurzem der Verband ankündigte, seine Futtelmittelproduktion im deutschen Perl-Besch ansiedeln zu wollen, musste auch dieses Thema für eine Umfrage herhalten, nach dem Motto: „Es wurde zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem.“ Aussagen der Verbandsdirektion zufolge haben nicht einmal die Experten der Ministeralbürokratie den richtigen Durchblick in dieser Angelegenheit. Was, bitteschön, soll der brave, von keiner Sachkenntnis getrübte Bürger dazu sagen? Oder möchte man einfach nur ein paar plumpe Ressentiments bedient haben? Für Geld (um)fragen wir alles...