Nächste Woche soll zum zweiten oder dritten Mal ein Papst Luxemburg besuchen. Wieder hoffen die Gläubigen: Ihre beengte Heimat soll im Glanz eines Mannes erstrahlen, der sich Summus Pontifex Ecclesiæ Universalis, Vicarius Iesu Christi nennen lässt, der Jurisdiktionsprimat und Unfehlbarkeit beansprucht.
Ein erster Papstbesuch in Luxemburg fand vielleicht im Herbst 1049 statt. Bloß dass es zu der Zeit kein Luxemburg gab. Und keine zeitgenössischen Belege. Die älteste Erwähnung seines Abstechers wurde 600 Jahre später niedergeschrieben: Papst Leo IX. „Treviros descendit et inde Epternacum veniens in Basilica noviter constructa [...] in propria persona more suo consecravit“ (Annales S. Willibrordi, Bistumsarchiv Trier, F. 74r).
Als Leo IX. reiste der elsässische Graf Bruno von Egisheim-Dagsburg (1002-1054) durch Europa, predigte gegen Ämterhandel und Priesterehe. Er war der Papst des Kalten Kriegs zwischen Ostchristen und Westchristen. Seine Unnachgiebigkeit besiegelte für die nächsten tausend Jahre das Große Kirchenschisma.
1985 war der Pole Karol Wojtyla (1920-2005) als Johannes Paul II. der Papst des Kalten Kriegs zwischen Ostblock und Westblock. US-Präsident Ronald Reagan rief zur Endschlacht gegen das Reich des Bösen auf. An vorderster Front marschierte der Papst. Seine Anhänger bejubelten ihn als Star. Sie rechneten seiner Glaubensfestigkeit, seinen neun Polenbesuchen die Implosion der Sowjetunion an.
Der Katholizismus war Staatsreligion in Luxemburg. Die Kirche ein Pfeiler des CSV-Staats: Mit Beamtenpfarrern, Religionsunterricht, Nonnenspitälern, Bekenntnisschulen, Kirchenfabriken, Luxemburger Wort, Caritas. Papst Johannes Pauls Besuch wurde als Staatsereignis inszeniert. In der Stahlkrise besichtigte er Arbed Belval. Zelebrierte vor dem Werkstor II eine Messe. Um den verunsicherten Stahlarbeitern den gottlosen Sozialismus auszureden.
Am Donnerstag soll Papst Franziskus nach Luxemburg kommen. Der 87-Jährige grüßt die lokalen Notabeln und nach einer ausgedehnten Mittagsruhe das betende Volk. Dann verzichtet er auf die Gebeine Willibrords und fliegt nach Brüssel weiter.
Pädophile Priester, die Fronde der Kirchenfabriken förderten den moralischen Niedergang der Luxemburger Kirche. Zu Unrecht fürchtete das Bistum 2015 eine vierte Referendumsfrage. Es willigte in seine Privatisierung ein. Kardinal Jean-Claude Hollerich spendete Trost: Die Kirche wolle gesundschrumpfen. Seine Ökonomen aus der Privatwirtschaft kennen das. Er betreibt lieber Diplomatie. Seelsorge und Geldsorgen überlässt er seinem Weihbischof.
Die CSV ist zurück in der Regierung. Sie machte die Trennung von Kirche und Staat, von Te Deum und Cérémonie officielle nicht mehr rückgängig. Zur Enttäuschung frommer Wählerinnen. Sie dankt Liberalen, Sozialdemokratinnen und Grünen für die Schmutzarbeit. Sie haben die heiligen Schauer der frommen Schwärmerei im eiskalten Wasser egoistischer Berechnung ertränkt.
2024 ist der Papstbesuch eine Kirchenaffäre samt Großherzog und Ministern. Keine Staatsaffäre mehr. Die Kirchen haben sich geleert. Arbed Belval hat den Eigentümer und Namen gewechselt. Der Sozialismus ist kein Konkurrenzglaube mehr.
Seine Gegner werfen dem Argentinier Jorge Mario Bergoglio einen Hang zum Peronismus vor. Als Papst Franziskus kritisiert er den Neoliberalismus. Der Neoliberalismus ist der neue Aberglaube. Er ist die unsichtbare Hand Gottes, die Banken und Fongenindustrie füttert.
Auf die Frage, ob er „e gleewege Mënsch“ sei, antwortete Luc Frieden zögerlich: „heiansdo“ (RTL, 29.4.23). Für den Präsidenten der christlich-sozialen Partei existiert Gott nicht „per omnia sæcula sæculorum“. Sondern ab und zu. Wenn es der Wettbewerbsfähigkeit nicht schadet.