Vor der Prinzenhochzeit

Willi tritt ab

d'Lëtzebuerger Land vom 19.10.2012

Heute loben wir die standhaften Prinzen. Auf diese Schreckensnachricht hätten wir gerne verzichtet. Da freuen wir uns seit Monaten auf einen allerletzten Tag der nationalen Selbsttäuschung, und nun wird uns der staatlich präfabrizierte Freudentaumel gründlich versaut. Und zwar – oh Horror, oh Graus – vom Hauptdarsteller persönlich. Aus den Kreisen der Schranzen und Hoflieferanten erfahren wir Unvorstellbares: Unmittelbar vor der kirchlichen Trauung wird sich der Bräutigam Guillaume auf dem Parvis der Kathedrale an die Presse wenden und einen kurzen Text verlesen. Der Wortlaut liegt uns vor. Unser Herz, das immer für die Monarchie geschlagen hat, steht kurz vor dem Kollaps. Hören Sie selbst:
„Léift Vollek, ich habe es endgültig satt, das will ich hier und jetzt feierlich verkünden. Den würdelosen Zauber um meine Hochzeit, diese infame Betäubungsstrategie unserer Regierung mitten in der qataraktischen Wirtschaftskatastrophe, will ich hiermit endgültig beenden. Verehrte Bürger, ihr sollt mich wegen meiner Herkunft nicht tadeln; dass ich ein Prinz bin, habe ich nicht selber entschieden. Daher möchte ich meinen letzten Funken Verstand benutzen, um endlich in den Schoß des Volkes zurückzukehren. Ihr habt es erlebt, seit Wochen werde ich als kommerzieller Fußabtreter missbraucht. Bin ich nichts als ein wohlfeiles Maskottchen der Händler und Geschäftemacher? Muss ich mich wirklich in einer Cuvée spéciale von Poll Fabaire ersäufen lassen? Muss ich mich tatsächlich belästigen lassen mit einer gigantischen Glückwunschkarte, auf der alle Cactuskaart-Inhaber sich verewigt haben?
Dass ausgerechnet die Firma Villeroy & Boch zu meiner Trauung eine spezielle Porzellankollektion auf den Markt wirft, ist in meinen Augen eine schwere Beleidigung. Dieser Blutsaugerverein hat Schindluder mit der eigenen Belegschaft getrieben, er hat die Existenz seiner Arbeiterinnen und Arbeiter vernichtet, und nun will er mir mit Wucht in den könglichen Steiß kriechen. Nicht mit mir! Dieses verräterische Porzellan werde ich öffentlich zerdeppern, ihr dürft gerne eure Vorschlaghämmer mitbringen und kraftvoll mit mir zu Werke gehen. Überhaupt wird jetzt mal aufgeräumt mit dem ganzen verlogenen Volksverarschungszirkus.
Es tut mir leid, liebe Luxemburger, aber manchmal drängt sich mir die bange Frage auf, ob ihr alle völlig bekloppt seid. Wir könnt ihr nur mit offenen Mündern und ausgeschaltetem Verstand eine Dynastie bewundern, die nichts anderes symbolisiert als die permanente Verhöhnung der Demokratie? Merkt ihr denn nicht, wie euer Staat die Monarchie inszeniert, um euch zum Narren  zu halten?  Da ihr offenbar nicht in der Lage seid, mündig und erwachsen zu urteilen, will ich nun selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Ab jetzt bin ich einer von euch. Ein normal begabter Landsmann, nicht mehr. Wenn es sein muss, werde ich mich bei der Adem anstellen und um Arbeit flehen, und seien die Warteschlangen noch so lang. Und nennt mich bitte nicht mehr Guillaume. Kein Mensch hierzulande trägt den affektierten Namen Guillaume. Liebes Volk, ab heute bin ich dein Willi. Und was macht der Willi? Er tritt ab, der Willi, subito, noch bevor die Glocken der Kathedrale eurem Willi den letzten Nerv rauben mit ihrem aufdringlichen Gebimmel. Er schmeißt den ganzen Monarchiekrempel hin, euer Willi.
Habt ihr noch immer nicht verstanden, liebe Landsleute? Es wird keine Hochzeit geben, hört auf, mich hier wie hirnamputierte Schafe anzustarren! Geht nach Hause, lest ein gutes Buch, vergesst die feigen Opportunisten an der Spitze eures Staates! Und vor allem: Abonniert keine Zeitungen mehr, die sich mit maßlosen Lobhudeleien bei mir und meiner Belgierin einschmeicheln möchten! Meine tägliche Lektüre will ich euch gern verraten. Künftig lese ich nur mehr Libé und Charlie Hebdo. Der Gottesclown in der Kathedrale kann lange warten vor seinem Muttergottesaltar. Mich wird er nicht als Wunderwaffe seiner neuen Missionare instrumentalisieren. Auf seine Sakramente pfeife ich, der religiöse Staatsfimmel geht mir längst über die Hutschnur, ich bin kein Ersatzjesus und kein Prophet aus der Retorte. Mit meiner Steffi werde ich in einer wilden Beziehung leben. Wild und ausschweifend, fernab von allen Weihwasserquellen.
So. Das war’s. Ich wünsche euch einen schönen Herbsttag, der Winter steht vor der Tür, er wird dieses Jahr unbarmherzig hart sein. Lasst euch nicht länger aufs Auge drücken von Politikern, die euer Land munter ausverkaufen und euch mit Rauschmitteln vollstopfen, damit ihr nur nicht auf den Gedanken kommt, eure Freiheit beim Wort zu nehmen. Macht es doch einfach wie ich. Haut ab, entzieht euch der staatlichen Bevormundung, schickt eure ganze tollpatschige Regierung in die Wüste! Irgendein wüster Scheich, pardon, Wüstenscheich wird sich schon ihrer erbarmen und sie in seinen multisexuellen Harem einbauen. Ich bin dann mal weg, liebes Volk. Zum Teufel mit der Monarchie! Vive la République! Komm, Steffi. Es stinkt schon wieder nach Weihrauch. Schnell in die Wälder!“

Guy Rewenig
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