Hart an der Grenze

Liwingen 21

d'Lëtzebuerger Land vom 29.07.2011

Luxemburg ist ein beliebtes Einkaufszentrum. Ganz Luxemburg? Nein, denn da gibt es noch einen Standort nahe Liwingen, zwischen der Autobahn und der Eisenbahnlinie gelegen, gut 20 Hektar groß, demnach passend für ein neues nationales Fußballstadion und eine „Mega Shopping Area“, wie sie das Land noch nicht gesehen hat. So weit, so gut. Aber der Reihe nach: Dass Luxemburg eine neue Fußballarena braucht, obwohl wir in der FIFA-Weltrangliste wohl nie unter den ersten 100 auftauchen werden, ist allgemein bekannt und akzeptiert. Nicht nur bei Fußballfans, sondern auch bei den Anrainern, die, je nachdem welche Mannschaft zu Gast ist, froh sind, wenn das Spiel abgepfiffen und ihr Wohnviertel heil geblieben ist. Dass in Krisenzeiten (Krise – welche Krise? werden einige fragen) die öffentliche Hand ein solches Projekt nicht alleine stemmen kann oder möchte, ist klar. „Public-Private-Partnership“ war also angesagt und es musste ein privater Investor gefunden werden. In Luxemburg dauert das meistens eine kleine Ewigkeit; manchmal, so Gott will, können die Dinge aber auch schnell geregelt werden.

Ein Unternehmer (nicht zu verwechseln mit „Mäzen“) geht also hin und sagt: Okay, liebe Regierung, Du willst ein neues Stadion. Da aber auch ein bisschen Geld verdient werden muss, bauen wir gleich daneben noch ein schönes, großes Einkaufszentrum, das all die schönen Sachen anbietet, die in Luxemburg noch fehlen. Um dem Ganzen noch mehr Rückhalt zu geben, greift man in die Mottenkiste und klaubt das Programm „Luxemburg, (das) Einkaufszentrum (in) der Großregion“ hervor und winkt mit Hunderten von neuen Arbeitsplätzen.

Vor zehn Tagen wurde der „Masterplan“ (ein Modewort, bei dem man nicht richtig weiß, ob das Projekt bereits vom Master abgesegnet wurde oder ob man dann doch noch ein bisschen mitreden darf) in Roeser vorgestellt. Die Protagonisten haben sich wirklich Mühe gegeben. Die Modalitäten und Kriterien der Standortsuche wurden noch einmal erklärt, es ging die Rede von einer strategischen Umweltprüfung und einer Vorbereitungsstudie im Hinblick auf die Modifizierung des kommunalen Flächennutzungsplans, schließlich wurden die Überschwemmungsproblematik, bedingt durch das zu evakuierende Oberflächenwasser (hallo Autobahn) und die Anbindungsmöglichkeiten an das öffentliche Transportnetz erläutert.

Trotz aller gezeigten Folien herrschte Unzufriedenheit, Skepsis, zum Teil Frust und Angst. Warum zeigt man zuerst – frei nach dem Prinzip „divide et impera“? - den Masterplan für das Stadion und erst (viel?) später die Detailpläne für den Kommerz? Sind 76 000 Quadratmeter nicht zu viel des Guten? Vor einem Jahr sprach das Mittelstandsministerium von bestehenden 950 000 Quadratmeter Verkaufsflächen für ganz Luxemburg, dazu noch 66 000 Quadratmeter im Bau und 111 000 Quadratmeter geplant. In anderen Worten: Die erste Million ist geknackt, Freunde. Luxemburg möchte sich in der Grenzregion positionieren, Trier hat dies bereits getan und auch Metz lässt seine Muskeln spielen. Hierzulande ist also weiterhin Landverbrauch angesagt, unter anderem bedingt durch die Größenordnungen, mit denen man heute operiert. Zum Vergleich: 1967 öffnete der erste Cactus-Supermarkt seine Tür(en) in Bereldingen, Fläche: 1 100 Quadratmeter. Der Fortschritt ist definitiv nicht aufzuhalten.

Ob Liwingen zu „unserem Stuttgart 21“ werden wird, bleibt abzuwarten. Wobei: Auch in Stuttgart hat sich der Sturm gelegt. Laut einer dpa-Meldung von dieser Woche hat der Gutachter - nach einem „Stresstest“ – grünes Licht für den unterirdischen Durchgangsbahnhof gegeben. Liwingen ist oberirdisch geplant, kommt jedoch für viele überirdisch daher...

Claude Gengler
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