Wenn ein europäischer Spitzenpolitiker – es kann auch eine Politikerin sein – dieser Tage behauptet: „Das kommt nicht in Frage”, „Das war jetzt aber zum letzten Mal” oder „Ein Treffen hat es nicht gegeben”, dann können wir getrost davon ausgehen, dass das, was nicht in Frage kommt, so gut wie beschlossen ist, dass diesem ersten Mal noch weitere „erste Male” folgen werden, dass man sich regelmäßig trifft, anruft und abspricht. Natürlich geben sie’s nicht zu.
Wenn in diesen tumultuösen Zeiten etwas richtig ist, dann wohl, dass so gut wie nichts richtig ist. Ein bekannter Sokrates-Spruch lautet: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.” Es gibt Momente, in denen unsere Politiker/innen nichts wissen, was sie aber nicht davon abhält, so zu tun, als ob sie alles wüssten. Oder sie wissen nicht weiter, was auf dasselbe rauskommt. Natürlich geben sie’s nicht zu.
Was die Schuldenmisere angeht: Auch wenn den Euro keine direkte Schuld an der Verschuldung trifft, mitschuldig an der Misere ist er allemal, da er uns und denen, die uns regieren, die Augen verschlossen hat vor der europäischen Wirklichkeit. Wegen der Verschiedenartigkeit Europas war es in der Tat utopisch (anderes Wort für „dumm”) zu glauben, dass eine gemeinsame Währungspolitik ohne eine gemeinsame Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik Sinn macht, das heißt nachhaltiges Wachstum in Zeit und Raum für alle erzeugt. Letztere wurden zwar immer wieder gefordert beziehungsweise regelrecht herbei beschworen, getan hat sich aber so gut wie nichts. „Divide et impera” scheint immer noch die von den meisten am meisten geschätzte Devise zu sein. Natürlich geben sie’s nicht zu.
Sondergipfel, Brüssel, 21. Juli: Die Dotation des Euro-Rettungsfonds soll bleiben, wie sie ist. 4. August: Barroso fordert eine Aufstockung eben dieses Fonds. An der EU-Spitze weiß die linke Hand schon lange nicht mehr, was die rechte tut, und umgekehrt. Nicolas trifft Angela. Sarkozy: „Ich mag dich.“ Merkel: „Ich dich auch nicht.“ Gab‘s jetzt einen richtigen Krach oder nicht? Wo jetzt, an der Börse oder im EU-Gebälk? Natürlich geben sie’s nicht zu.
Stichwort Krise: Zuerst war da, bedingt durch eine abusive „Politik des billigen Geldes“, eine amerikanische Immobilienkrise, die im übrigen, wie alle anderen darauf folgenden Krisen, noch nicht ausgestanden ist. Daraus wurde – manchmal über Nacht – eine Bankenliquiditätskrise. Sie entwickelte sich zu einer richtigen Finanzkrise und, nachdem die Realwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wurde, zu einer Wirtschaftskrise. Aus der wurde schließlich eine Staatsschuldenkrise. Wobei, und das erschwert die Lage, große Teile dieser Staatsschulden nicht von heute auf morgen entstanden sind, sondern sich über Jahrzehnte angehäuft haben. Natürlich geben sie’s nicht zu.
Das ganze Brimborium findet statt vor dem Hintergrund einer gigantischen Vertrauenskrise. Keiner traut mehr irgendjemandem: Die Banken nicht den überschuldeten Hausbesitzern, die Märkte nicht den Anlegern, die Europäische Zentralbank nicht ihren Mit-gliedern, das EU-Parlament nicht der Kommission, die Deutschen nicht den Franzosen (oder war’s umgekehrt?), die „Nordstaaten“ nicht den „Südstaaten“. Den Griechen traut man sowieso nicht mehr. Natürlich geben sie’s nicht zu. Die Europäische Union im Jahr 2011: Ohne Entschlossenheit keine Geschlossenheit. Ohne Geschlossenheit keine Entschlossenheit. Aber jede Menge Politik(er)- und Europaverdrossenheit!