Die Herren Bettel, Gramegna und Fayot hatten gewarnt: Die Corona-Seuche drohe, die schlimmste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten oder seit dem Zweiten Weltkrieg oder seit der großen Depression auszulösen. Prompt kam Sehnsucht nach der einst für schlimmste Wirtschaftskrisen geschaffenen Tripartite auf. Darin schwingt Nostalgie nach Heiligabend 1977 mit, als per Gesetz das Comité de coordination tripartite geboren wurde, der Traum einer befriedeten, opferbereiten, klassenlosen Volksgemeinschaft. Davon will die Regierung aber nichts hören.
1977 hatte die wirtschaftlich und politisch dominierende Industrie des Landes überakkumuliert und war in eine tiefe Krise gestürzt. Sie beschäftigte den historisch kämpferischsten und bestorganisierten Teil der Arbeiterklasse. Die Stahlkrise drohte einen Klassenkampf – für zarte Seelen: „Sozialkonflikt“ – auszulösen, der das politische System zu erschüttern
drohte. Deshalb konnte man sich auf einen Klassenkompromiss einigen, bei dem die Arbed ohne Streiks und Betriebsbesetzungen Tausende Arbeitsplätze einsparen konnte und die Arbeiter mit staatlichen Zuschüssen von Arbeitslosigkeit und Werksschließungen verschont blieben.
Rund 30 Jahre später einigten sich Regierung, Unternehmer und Gewerkschaften zum letzten Mal auf einen staatlich bezuschussten Klassenkompromiss. Das war 2006, als eine Indexmanipulation gegen das Einheitsstatut getauscht wurde, mit dem nebenbei die stets verdächtigen Arbeiter auf dem Papier abgeschafft wurden. Danach bot die Bankenkrise dem Neoliberalismus die lang erwartete Gelegenheit, auch hierzulande mit dem ganzen Sozialklimbim einschließlich der CSV aufzuräumen. (Die Stahlindustrie hatte die Arbeitslosigkeit über Leiharbeitsfirmen eingeführt und brach in Schifflingen die Standortgarantie.)
Dumm gelaufen für die Gewerkschaften. Ihnen fällt bis heute nichts Besseres ein, als nach der Tripartite zu rufen. Doch nicht nur die Regierung hält die weihevollen Dreiertreffen im Refugium Sankt-Maximin für überholt. Wenn entschieden werden soll, wer für die Rechnung der Corona-Krise aufkommen muss, wollen auch die Unternehmer keinen Klassenkompromiss. Sie würden liebend gerne die Rechnung begleichen, aber die internationale Wettbewerbsfähigkeit verbietet es ihnen.
Sozialpartnerschaft würde da zu einem unnützen Kostenfaktor. Herr Buck schickt lieber Herrn Bettel eine SMS.
Aus Eigennutz zieht auch Herr Bettel der Tripartite eine SMS vor. Er befürchtet, dass Uneinigkeit in der Tripartite den Klassenkampf in seine Regierungskoalition hineintrüge. Dann müsste er in aller Öffentlichkeit irgendeine Entscheidung treffen, obwohl ihm nichts verhasster ist. Dann würde die DP ihm wieder vorwerfen, nach der Pfeife der LSAP zu tanzen, der das alles höchst unangenehm wäre. Aus Angst, zu enden wie Frau Spautz aus Esch, müsste Herr Kersch wieder Türen knallen. Dann müssten die Grünen wieder eine Pressekonferenz gegen Atomenergie einberufen wie nach der Ratifizierung des Ceta-Vertrags. Das wäre alles viel Aufruhr für eine Koalition mit einem einzigen Mandat Mehrheit.