Der katholischen Kirche ergeht es wie der CSV oder der LSAP: Ihr läuft das Publikum weg, obwohl sie ein Facebook- und ein Twitter-Konto unterhält, und im Innern streiten Modernisierer und Traditionalisten bis in die Kirchenfabriken und ins Luxemburger Wort hinein. Erzbischof Fernand Franck, der stets etwas Unnachgiebiges um die Mundwinkel hatte, sollte das Großherzogtum noch einmal wie Nicolas Adames im liberalen 19. Jahrhundert zu remissionieren versuchen. Sein Nachfolger, der stets entschuldigend lächelnde Jean-Claude Hollerich, der 2011 geweiht wurde, um den Niedergang der großen Beschützerin CSV mitzuerleben, verfolgt das Gegenteil.
Jean-Claude Hollerich hatte sich in Japan darin ergeben, eine homöopathische Minderheit von Katholiken in einem Meer von Shintoisten und Buddhisten zu vertreten. So sieht er auch den Katholizismus in Luxemburg: eine rasch schrumpfende Minderheit in einem Meer von Konsumisten. Der gescheiterten quantitativen zöge er eine qualitative Remissionierung vor, weil das Christentum hierzulande nur noch mit „allgemeinem Humanismus“ gleichgesetzt werde, wie er diese Woche meinte. Aus diesem Grund wollte er auch das Beste aus der von der liberalen Koalition eingeleiteten Privatisierung des Erzbistums machen: Die evangelisch-lutherische Staatskirche in Dänemark plage ähnliche Sorgen wie die Luxemburger Katholiken, meinte er, während die Trennung von Kirche und Staat in Schweden die ehemalige evangelisch-lutherische Staatskirche dort neu belebt habe.
Solche Ansichten stoßen aber auf Unverständnis in einer Kirche, die sich mit der geballten Kraft von Staatsklerus, Religionsunterricht, CSV, Luxemburger Wort, Zitha, Caritas und Pfadfindern für den Felsen hielt, auf dem Gott das Großherzogtum baute. So bleiben dem Japanologen und ersten Jesuiten im Bischofspalast, den er in „Bischofshaus“ umtaufte, wenig Freunde in der Diözese. Seine wachsende Zahl von Feinden wirft ihm vor, zusammen mit dem ehemaligen Generalvikar Erny Gillen den Ausverkauf der stolzen Staatskirche besiegelt zu haben. In der Stunde der größten Not sei er meist abwesend und sei es nur geistesabwesend. Dass seine Autorität in dem streng hierarchisierten Bistum gegen null tendiert, zeigte sich nicht nur, als einige Kirchenfabriken ihren Hirten respektlos vor Gericht verklagten, sondern auch wieder am Dienstag, als er wiederholt beteuern musste, weder seinen Rücktritt eingereicht zu haben, noch krank und überfordert zu sein und schon gar keinen Koadjutor (cum iure successionis) zu brauchen. So klingt gemeinhin das Ende einer Karriere.
Sicher ist, dass der Mann, der als Gorbatschow der Trennung von Kirche und Staat in die Bistumsgeschichte eingehen wird, keine Lust mehr hat. Wie andere Politiker sucht er inzwischen im großen Europa die Anerkennung, die ihm in der kleinlichen Heimat versagt bleibt, von der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union über die Jugendkommission des Rats der europäischen Bischofskonferenzen bis zum internationalen Messdienerverband, denen er allesamt vorsteht. Mit seinen vielen Auslandsverpflichtungen wiederum erklärt der Erzbischof die diese Woche publik gemachten Personalentscheidungen, die aber schon wie die Vorbereitung der Nachfolge des 61-Jährigen aussehen.
Wie in allen Firmen und Vereinen, die nicht mehr zu klaren Entscheidungen fähig sind, bekommen alle einen neuen Titel und behalten ihren alten: Jean-Claude Hollerich bleibt Erzbischof und Generalvikar Leo Wagner wird Bischof, Weihbischof, im Kanonischen Recht treffender „Episcopus auxiliaris“ genannt. Leo Wagner bleibt aber auch Generalvikar und Seminar-Präsident Patrick Muller wird ebenfalls Generalvikar. Das Bistum, das noch nie so wenige Kleriker zählte, brauchte in 150 Jahren noch nie zwei amtierende Bischöfe und zwei Generalvikare gleichzeitig.