Luxemburger RapPer MAZ

“That Mazk I’ve been wearing”

d'Lëtzebuerger Land vom 29.01.2021

Das Haar ist ab, der Sound geradezu zornig: „I get it“ heißt das Video, das Luxemburgs Rap-Aushängeschild Maz auf Youtube Ende November veröffentlichte (prdzuziert von Josh Petruccio), im zweiten Lockdown.

„Die Pandemie ist mental und finanziell eine echte Belastung“, sagt der 21-Jährige, der neuerdings zwischen Luxemburg und Brüssel pendelt. Dort vertieft er Kenntnisse in Tonproduktion und Abmischen und wohnt mit Musikerkollegen und Jugendfreund Chaild zusammen. Die beiden kennen sich aus der Schulzeit. „Hier in Brüssel ist in Sachen Musik vieles einfacher. Aber jetzt liegt auch das danieder.“ Konzerte sind und bleiben die Haupteinnahmequelle für Musiker – und die fallen reihenweise aus.

Am Anfang habe er den Lockdown noch cool genommen, als Anlass zur „inneren Reflexion“, erzählt Maz, der mit bürgerlichem Namen Thomas Faber heißt. „Das Jahr 2019 war verrückt. Ich war ständig unterwegs, auch im Ausland“, erinnert er sich. Im Dezember 2019 hatte er seine EP Sleepwalker herausgebracht. Aber gegen Ende desselben Jahres fühlte sich der Rapper mit Talent zum (englischsprachigen) Wortspiel ausgelaugt. „Ich bin durch eine schlechte Phase gegangen“, erzählt er freimütig. Der schnelle Erfolg nach der Veröffentlichung seines ersten Albums Immortalisation war ihm zu Kopf gestiegen, alle wollten etwas von ihm. Und er wusste nicht mehr so recht, wo er stand, musikalisch aber auch persönlich. Dann kam das Coronavirus. Und plötzlich wurde es still. Totenstill.

„Eigentlich hatte ich mich noch auf ein tolles Konzert mit Kollegen in der Rockhal gefreut.“ Der Saal war gebucht, die Tickets verkauft. Premierminister Xavier Bettel verkündete den Ausnahmezustand, kurzfristig musste das Event abgesagt werden, die Laut-
sprecher blieben still, die Musiker zuhause. „Ich war viel daheim und habe einen Gang zurückgeschaltet.“ Endlich Zeit, zur Ruhe zu kommen, die Dinge sacken zu lassen. „Das fand ich eigentlich ganz in Ordnung so.“

Als dann im Sommer wegen sinkender Covid-19-Infektionszahlen die Ausgansg-beschränkungen wieder gelockert wurden, war Maz gut drauf: „Alles wurde offener, man konnte Leute treffen. Ich habe echt geglaubt, wir können wieder raus und bald wieder richtig und live Musik spielen.“ Im September war er nach Brüssel umgezogen. Aber die Freude währte nur kurz. Dann war erneut alles zu. Die zweite Infektionswelle war über Belgien geschwappt und das mit voller Wucht. „Hier waren die Auflagen sogar noch strenger als in Luxemburg.“

Diesmal fiel es ihm schwerer, mit den Einschränkungen umzugehen. „Ich erlebe das Leben momentan als schrecklich flach und eintönig“, sagt er nachdenklich. „Es geschieht nichts.“ Die Höhepunkte in der Woche reduzierten sich auf daheim in der Wohngemeinschaft etwas Leckeres zu kochen und spazieren zu gehen. „Das ist schon traurig“, so der Musiker. Der Austausch, die Treffen mit Freunden, aber vor allem das Live-Musikmachen fehlen ihm, der von sich selbst sagt, „immer und ständig nachzudenken und Negativität aufzusaugen, ohne es zu wollen“. Es sei keine gute Zeit. „Wir werden vollgeballert mit Katastrophen-News.“ Sensibel sei er auf die Nachrichten aus aller Welt. Und wie so viele Rapper zeigt er diese Verletzlichkeit in seiner Musik, zelebriert sie geradezu, ohne dabei gekünstelt zu wirken. „Ehrlichkeit ist mir wichtig. Ich singe, was ich fühle.“

Die Musik als Anker, als Ausdrucksform, um schwere Gedanken zu verarbeiten: Maz packt melancholische Emotionen in kraftvoll poetische Reime, auf Englisch, das er sich selbst beigebracht hat. Über den Herbst spielte er neue Songs ein. „Ich will die Energie, wie ich die Welt sehe, in Musik umsetzen.“ Und: „Ich habe noch nie so sehr gespürt, wie viel mir Musikmachen bedeutet.“ Kein Wunder, dass das Video, das er nach der Zwangspause veröffentlichte, „I get it“, aggressiver, düsterer klingt als früheres Songmaterial. Helle Töne, dann: „So take a close look at that mazk I have been wearing. I am about to take if off”, schraubt sich Maz’ Sprechgesang langsam in die Höhe. „I am changing”. Schwere Beats. „I get it, I get it, I get it.” Der Kampf mit sich selbst, der frustrierende Druck, ungebetenen Erwartungen anderer entsprechen zu sollen. Und sein wütender Ausbruch: Schluss damit.

Schon der Vorgänger “Coma“ war schwerer als die Songs, die der Hip-Hopper auf seinem Album veröffentlicht hatte. Auffällig sind die deutlichen Anleihen beim Nu Metal. Seien es die Gitarrenriffs, das Schlagzeug oder die Reise zwischen Verletzlichkeit und Wut. Vor allem aber Maz’ Stimme, weniger Sprechgesang, dafür mehr Schreien, Screaming, wie es im Genre heißt. „Ich habe stimmlich viel gearbeitet und dazugelernt“, sagt Maz. Einfluss hatte sicher auch, dass sein Freund, Drummer Sasha Hanlet von der Luxemburger Metallband von Mutiny on the bounty, mit von der Partie ist.

Am 8. Februar soll der nächste Song als Video auf Youtube erscheinen. Die Visuals seien dunkler, verrät der Luxemburger: „Ich mag Horror-Movies.“ Einen Vorgeschmack gab es im „I get it“-Video zu sehen: Da entsteigt Maz im weißen T-Shirt in tiefer Nacht einem glänzenden Wasserloch: „I’m a black hole. I want that soul. I want that road“, singt er. Das (Rapper-)Leben als ständiger innerer Kampf. I get it.

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