Das Coachella-Festival ist verlegt worden. Das legendäre Glastonbury-Festivals ist abgesagt. Und viele weitere Absagen werden folgen. Der globale Tour-Betrieb ruht nahezu komplett. Es sind schwere Zeiten für die Musikbranche. Das betrifft auch die Luxemburger Konzertveranstalter, die fast alle Events bis in den Sommer abgesagt oder verlegt haben. Für die Macher des Out of the Crowd-Festivals – geplant am 25. April in der Kulturfabrik – stand der Entschluss zur Absage schon seit einigen Wochen fest. Denn unabhängig von den offiziellen Anordnungen hatten bereits acht von neun internationalen Bands ihre europäischen Tourneen abgesagt. „Das ist alles sehr frustrierend“, sagt Organisator Nicolas Przeor. Ursprünglich habe das Organisationsteam (Schalltot) noch geplant, eine kleinere Ausgabe im Herbst zu organisieren, aber diese Idee habe sich schnell zerschlagen. Es sei nicht möglich, einen neuen Termin für alle Bands im Herbst zu finden. Laut Przeor hält sich der finanzielle Verlust in Grenzen, da es wenig Fixkosten für Schalltot gab. Nächstes Jahr wird das OOTC wieder stattfinden.
Für andere ist der Lockdown nicht nur „frustrierend“, sondern auch „existenzgefährdend“. Konzertveranstalter Michel Welter sieht das Atelier gerade vor der schwierigsten Situation in der Geschichte des Unternehmens. „Ohne Konzerte haben wir null Einkommen.“ Derzeit verkaufe der Konzertveranstalter rund zwanzig Karten täglich, in Normalzeiten seien es 20 pro Stunde. Er könne derzeit auch nicht sagen, ob das Siren’s Call-Festival – geplant am 27. Juni im Neimënster – stattfinden wird. „Wir arbeiten aktuell mit zwei Szenarien“, so der Atelier-Direktor. Entweder die Pandemie sei bis dahin weitestgehend unter Kontrolle, sodass die Maßnahmen gelockert werden können – oder das Festival wird abgesagt. Das Atelier organsiert sich gerade nach dem Motto: Prepare for the worst, hope for the best. Kurzfristig könne man sich durch Kurzarbeit und einige Reserven über Wasser halten. Aber viel länger als zwei Monate wird das Atelier diesen Zustand kaum überstehen. Welter blickt auch pessimistisch auf die Zeit nach der Pandemie. „Alle schwitzen bei Konzerten, es gibt direkten Körperkontakt.“ Er glaubt deshalb nicht, dass es die Menschen sofort wieder auf große Rock- und Popkonzerte ziehen wird und spricht von „psychologischen Nachwirkungen“ der Coronakrise.
Das sieht auch Jacques Hoffmann so. Er hat vor Jahren das Unternehmen Amplitude (vorher Discolux) gegründet und zählt in Luxemburg zu den führenden Dienstleistern im Bereich Licht- und Soundorganisation für Festivals und Konzerte. „Ich glaube, dass es bei vielen eine Blockade geben wird. Wir werden den Schalter nicht von heute auf morgen umlegen können.“ Auch für Hoffmann ist die Coronakrise eine wirtschaftliche Katastrophe. Er hat seine 14 Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt und kann mit seinen Reserven wohl noch bis Juli ausharren. Und dann? Darauf hat er aktuell keine Antwort.
Dabei sind manche in der Branche noch optimistisch: Die Organisatoren des Festivals Koll an Aktion glauben weiterhin, dass ihr Event am 30. und 31. Mai stattfinden kann. Auch die Macher von Rock am Ring, ein Event mit bis zu 100 000 Besuchern, teilen auf Nachfrage mit: „Rock am Ring und Rock im Park 2020 finden nach derzeitigem Stand wie geplant statt und die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.“ Gleiches gilt für die belgischen Festivals Rock Werchter, Pukkelpop und das Dour Festival, die in ihrer offiziellen Kommunikation an einer Austragung festhalten. Den Veranstaltern dieser Riesen-Events ist jedoch keine Naivität zu unterstellen, sondern Kalkulation: Für die Kosten einer vorzeitigen Absage müssten sie gemäß Verträgen selbst aufkommen. Im Falle einer staatlichen Anordnung greift hingegen der Versicherungsschutz.
Insgeheim hat sich unter Bands und Veranstaltern inzwischen die Gewissheit verbreitet: Es wird einen Sommer ohne Festivals geben.