Seit 1959, als Ruth Handler für ihre Firma Mattel die erste Barbiepuppe produzieren ließ, wird in Bezug auf das Warenfranchise die Frage verhandelt, wie feministisch die wohl berühmteste Puppe der Welt ist. Eines ist gewiss: Die Regisseurin Greta Gerwig findet mit der ersten Realspielfilm-Adaption um die Puppe keine Antwort auf diese Frage, vielmehr verliert sich der Film in einer beständigen Wiederholung des Geschlechterkampfes.
Gerwigs Ansatz soll dekonstruktivistisch sein: Barbie (Margot Robbie) lebt im Barbieland, ihr Lebensinhalt besteht in einem Dauerzustand der Ausgelassenheit. Das ändert sich, als sie plötzlich Gedanken über den Tod zu entwickeln beginnt. Schnell findet sie heraus, dass ihr Unbehagen mit ihrem Besitzer in der Realwelt zusammenhängt. Um die Ordnung wiederherzustellen, reist sie mit Ken (Ryan Gosling) nach Los Angeles, nur um dort mit den Problemen der „echten Welt“ konfrontiert zu werden.
Diese grundlegende Gegensätzlichkeit ist der dramaturgische Ausgangspunkt, mit dem Gerwig operieren will: Zwei diametral entgegengesetzte Welten, hier das Barbieland, da die reale, unsere Welt, bilden ein doppeltes Netz, mit dem Gerwig glaubt, keine Fallhöhe fürchten zu müssen, ja sich nach allen Seiten hin absichern will. Ihr Film teilt gehörig gegen das Patriarchat aus, matriarchale Strukturen sind dann aber auch verwerflich; wer gegen jeden austeilt, ist auch jedem gefällig. Das geht dann so: Das Mattel-Unternehmen habe mit der Barbie-Kollektion unerreichbare Schönheitsstandards geschaffen, die sich negativ auf das Selbstwertgefühl junger Frauen auswirken und sie zu Opfern kapitalistischer Marktlogiken machen. Doch Barbie ist auch der Inbegriff für das Träumerische, sie ist die Projektionsfläche, die die Ambitionen junger Mädchen beflügelt, sie steht also auch für das female empowerment. Ken ist in der Barbiewelt kein Subjekt, sondern existiert nur im „female gaze“ der Barbie. In der realen Welt wiederum sieht er sich im Patriarchat bestätigt, das er dann ganz rückwärtsgewandt im Barbieland etabliert. Und so weiter. Da wird ein Problem in der einen Welt bezeichnet, nur um es in der anderen Welt zu spiegeln. Gerwigs einziger Schluss scheint einer der breitflächigen Konsensstiftung zu sein: Alles ist verquer in einer Welt der Gegensätzlichkeiten, der verkehrten Rollenbilder, der Machtasymmetrien und der allumfassenden Ungleichheit der Geschlechter, kurz: Es ist kompliziert.
Barbie ist ein Film der bissigen, klugen Aussagen, der Aktualitätsdiskurse aufgreift, mit denen Gerwig sich am Puls der Zeit bewegt, nur um sie mit konträren Positionen wieder zu entschärfen. So bezieht der Film seine Komik weniger aus den wortwitzigen Dialogen, sondern vielmehr aus dem ausgelassenen, ungemein karikierenden Spiel seines Hauptdarstellers: Ryan Gosling arbeitet sich unbekümmert und nahezu hemmungslos an seinem Image des ewigen Schönlings ab, beweist dabei Mut zur genüsslichen selbstironischen Übertreibung. Die Lust am eigenen Spiel ist es, die ihn antreibt. Überzeugen kann der Film besonders mit seinem Produktionsdesign und dem zunächst liebevoll gekünstelten Austausch der Figuren, der tatsächlich aus der Fantasie eines spielenden Kind so erdacht worden sein könnte. Je mehr sich Barbie aber zur angestrebten feministischen Gesellschaftskritik hinwendet, die sich gänzlich auf den Geschlechterkampf reduziert und keinerlei Perspektive auf wirtschaftliche oder kulturelle Beziehungen mitdenkt, desto unkenntlicher wird die Aussage des Films. Dies ist denn auch nicht verwunderlich, vergegenwärtigt man sich, dass der Film von Mattel mitfinanziert wurde: Die mitunter offene feministische Kampfansage ist Teil des Vermarktungszwecks.