Heute loben wir die positive Grundeinstellung. Schluss mit der unaufhörlichen, depressiv angehauchten Gesellschaftskritik! Schluss mit dem Meckern und Maulen, dem Bekritteln und Herabwürdigen! Ab jetzt wird nur mehr konstruktiv gedacht. Unser neues Evangelium ist dieser berauschende Text: „Même avec peu, on peut faire beaucoup, à condition de le vouloir, de se montrer inspiré et, surtout, à condition d’être une nature heureuse, c’est-à-dire une personne qui a une approche positive de la vie et des gens. La petite caste des éternels mécontents, râleurs, fouteurs de bordel doit être laissée dans son coin et n’a qu’à grincer seule des dents.“
Ist das nicht erhebend und ermutigend? Geschrieben hat diese Gebrauchsanweisung für glückliche Zeitgenossen eine Journalistin namens Danièle Fonck, in ihrer Hauspostille Tageblatt (17. Juli 2010). Wir haben uns immer schon gewundert, wie Frau Fonck es schafft, in ihren Leitartikeln und Kommentaren einen lammfellweichen Schreibstil zu pflegen, nie und nimmer anderen Menschen am Zeug zu flicken und grundsätzlich auf jeden kritischen Ansatz zu verzichten. An dieser Mutter Teresa des positiven Gemüts wollen wir uns ein Beispiel nehmen. Wir verlassen jetzt mit fliegenden Fahnen das Lager der ewig Unzufriedenen und möchten sogleich einen Vorschlag zur Güte unterbreiten.
Und zwar schlagen wir vor, in der künftigen Universitätsstadt Esch unverzüglich mit dem Bau von Pyramiden zu beginnen. Die Pyramide ist ein Zeichen kolossaler Überlegenheit. Frau Mutsch, die unangefochtene queen of Esch, hat Bauwerke dieser Größenordnung zweifelfrei verdient. Sie sollte einfach die ägyptischen Pharaonen nachahmen. Die herausragende Bedeutung der Pharaonen fußte auf reiner Subjektivität. Auch Frau Mutsch beherrscht die hohe Kunst der selektiven Wahrnehmung. In ihrer eigenen Einschätzung ist sie überragender als alle Hochöfen und strahlender als ein ganzer Schlakentipp. Sie braucht ein Denkmal für alle Ewigkeit.
Wir wollen einfach nicht begreifen, wieso ausgerechnet ein mickriges Gespensterschlösschen à la Shanghai-Pavillon die epochale Wichtigkeit der Escher Bürgermeisterin symbolisieren sollte. Diese merkwürdig verzerrte Disneyland-Attrappe passt – der Meister aus Remerschen wird uns die despektierliche Bemerkung verzeihen – bestenfalls in einen Dracula-Film, nicht aber in eine blühende Metropole vom Format der Kulturstadt Esch. In Esch erinnert nun wirklich rein gar nichts an Draculas Heimat. Esch verfügt zum Beispiel über das beste Straßennetz der Welt. Der blendend makellose Straßenbelag bis hinein in die unscheinbarsten Gassen zieht längst Touristen aus völlig unterwickelten Gegenden an, etwa aus Rumänien, wo der Straßenbelag überall einer Kraterlandschaft gleicht. All diese Touristen singen lauthals ein hymnisches Loblied auf die queen of Esch. Was liegt also näher, als nach der Cheops-Pyramide nun endlich auch die Mutsch-Pyramide in Angriff zu nehmen?
Die Pyramide ist ja zugleich auch eine grandiose Grabkammer. Ein Mausoleum zu Lebzeiten steht der Escher Bürgermeisterin wirklich gut zu Gesicht. In der steinernen Gruft könnte sie alles unterscharren, was einer modernen Stadtpolitik noch im Wege steht. Etwa die lästige Sache mit dem Sozialismus. Frau Mutsch ist eine Anhängerin der unbeschreiblichen Leichtigkeit des Seins. Die sozialistische Erbschaft ist für sie längst nur mehr ein gadget, ein Accessoire aus der historischen Rumpelkammer, das sie sich ans Revers heftet wie andere sich Che Guevara aufs edle Seidenhemd drucken lassen. Der Sozialismus passt nicht zu Esch. Esch ist funky und punky, statt einen ideologischen Kadaver namens LSAP wiederzubeleben, sollten wir uns vielmehr Gedanken machen über die optimale Inszenierung der künftigen Mutsch-Pyramide. Eine lightshow scheint uns unverzichtbar. Ein son et lumières-Spektakel bei Tag und Nacht. Allerdings sollten unter der Rubrik „son“ nicht unbedingt Auszüge aus dem Parteiprogramm der LSAP rezitiert werden. Ein paar Liedzeilen von Lady Gaga wirken viel frischer und jugendlicher. Einfach pyramidal megageil.
So. Jetzt wird man uns nicht mehr vorwerfen können, immer nur als fouteur de bordel aufzutreten. Wir zählen uns ab sofort zu den Gönnern und Förderern der megacity Esch. Irgendwie finden wir es höchst unangenehm, dass das Escher Tageblatt eine Sommerlochserie über die grausamsten Escher Straßenbelagslöcher vom Zaun gebrochen hat. Man glaubt es kaum, aber diese redaktionelle râleurs-Kaste weigert sich einfach, einsam und verlassen in der Ecke der ewig Unzufriedenen zu schmoren. Wie kann man nur so hinterfotzig sein, der Leserschaft eine Hitparade der schlimmsten Mutsch-Sünden zu empfehlen? Haben diese vermessenen, zutiefst Esch-feindlichen Redakteure Frau Foncks friedfertiges Credo etwa nicht gelesen? Darf sich eine eminente Friedensstifterin in ihrem eigenen Blatt so unverschämt widerlegen lassen? Bleiben wir zuversichtlich! In der Mutsch-Pyramide wird es viele Grabkammern geben. Auch für Tageblatt-Redakteure.