Heute loben wir die lieben Deutschen. Wir sind immer stolz und ergriffen, ja geradezu von Heimatbegeisterung überwältigt, wenn unser hervorragender Premier wieder mit einem deutschen Preis geehrt wird. Die Mehrzahl seiner Preise stammt aus Deutschland. Das fällt auf, das macht uns hoffnungsfroh. Zwar sind die Motive der Preisstifter immer etwas obskur, oder sagen wir unscharf, die ehrenwerten Preisspender haben auch längst nicht den allerbesten Leumund, aber was soll’s. Mit seiner deutschen Preiskollektion zwingt unser Premier Deutschland in die Knie. Er konfisziert sozusagen im Alleingang die deutsche Preismanie. Er besiegt Deutschland „par prix interposés“. Das ist bitter nötig auf der europäischen Bühne, wo Deutschland sich aufführt wie ein exklusiver Goliath inmitten zahlloser Davids.
Jetzt haben wir einen besonderen Grund, unseren Premier noch mehr zu lieben als je zuvor. Er wird nämlich gefeiert für sein deutsches Sprachgenie. Zwar schreitet nicht die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung zur feierlichen Preisverleihung, sondern ein undurchsichtiges Konglomerat aus windigen Gesellen, aber immerhin. Preis ist Preis. Die Preiswürdigkeit unseres Premiers ist längst etabliert. Mit einem einzigen Wort hat er vor nicht allzu langer Zeit die deutsche Sprache in ihren Grundfesten erschüttert. Dieses Wort hieß „Geschirrkasten“. Es war eine monumentale Kampfansage an verkrustete Sprachstrukturen. Wer bewusst und gezielt „Geschirrkasten“ für „Werkzeugkasten“ sagt, der unterminiert nicht nur erfolgreich die deutsche Sprache, nein, er schleust raffiniert die Sprachtermiten in das ganze deutsche Staatsgebäude. Dieses einzige, putzige Wort war eine Generalattacke auf das deutsche Wesen, an dem wir alle genesen, und zwar ganz ohne Kavallerie, Wehrmacht und scharfe Artillerie.
Nico Graf, der sich fulminant mit der Phänomenologie des Worts „Geschirrkasten“ befasst hat, weil er der deutschen Sprache überaus mächtig ist, wird nie einen deutschen Sprachpreis bekommen. Denn er ist ein Geheimnisverräter. Das tut man nicht. Wer einem Wort sein Geheimnis raubt, statt es staatsbürgerlich korrekt im dichten Nebel stehen zu lassen, hat keinen Preis verdient.
Nun bekommt unser hochverehrter Premier schon wieder einen Preis für ein einziges, kleines Wort, das Schule machen wird. Damit ist seine grandiose Affinität zum deutschen Sprachkoloss endgültig nicht mehr zu bestreiten. Das preisgekrönte Wort heißt „Zukunftseifer“. Dazu eine bedenkliche Anekdote. Mein starrköpfiger MAC trennt beharrlich immer nur „Zukunft-Seifer“. Was zum Teufel ist ein Seifer? Einer der uns einseift? Auch in Zukunft?
Da konzentrieren wir uns doch lieber auf die philosophische Dimen-sion des Worts „Zukunftseifer“. Wir haben es hier mit einem schwindelerregend tiefgreifenden Begriff zu tun, soviel ist klar. Unsere Zukunft ist der Tod. Daran mag kein ernsthafter Philosoph rütteln. Je früher wir in der Zukunft ankommen, umso eher sind wir tot. Der Junckersche „Zukunftseifer“ könnte also auch „Exituseifer“ heißen. Und schon sind wir beim eigentlichen Gewicht dieser Sprachschöpfung gelandet. Mit einem einzigen, zunächst harmlos anmutenden Wort empfiehlt unser Premier den Deutschen, sich doch bitte baldmöglichst vum Acker zu machen. Also mit Eifer der Zukunft entgegenzueilen (fast hätten wir geschrieben „entgegenzureiten“).
Doch der „Zukunftseifer“ ist nicht allein für die Deutschen ein treffender Reisevorschlag. Wir alle können uns Junckers heilsam verheerendes Wort zueigen machen. Es weist uns den Weg, wie wir mit Grandezza all den Berlusconis und Sarkozys entkommen können, diesen crapules au pouvoir, die uns den letzten Funken Glauben an das europäische Gebilde vermiesen. Wir müssen nur freudig dem „Zukunftseifer“ huldigen. Unser geachteter Premier hat tatsächlich mit einem einzigen, hochexplosiven Vernichtungswort ein komplettes Programm für die Abschaffung Europas formuliert. Er hat demnach genau verstanden, wie irreparabel Europa neuerdings in die Irre läuft. Alles, was uns übrig bleibt, ist aktiver „Zukunfts-eifer“. Nur die Deutschen haben Juncker nicht begriffen. Das wundert uns kaum. Sie interpretieren ständig ihren eigenen Nabel.
Genau darum loben wir die lieben Deutschen. Sie sind so benommen von sich selbst, sie merken einfach gar nichts. Sie klopfen dem klitzekleinen Juncker anerkennend auf die Schulter, weil sie glauben, er habe sich wieder mal mit einer lustigen Sprachkapriole verdient gemacht um die Clownsektion im europäischen Zirkus. Dabei hat unser geliebter Premier ihnen den Krieg erklärt. Mit einem einzigen Wort. Und ihnen zugleich die schnelle Reise in den Orkus ans Herz gelegt. Aber der Tod ist ja ein Meister aus Deutschland.
Sollten die Deutschen wider Erwarten nicht an Junckers „Zukunftseifer“ zugrunde gehen, kann unser sprachbegabter Premier ja immer noch mit einem weiteren Zauberwort nachhaken. Zum Beispiel „Indexmanipulation“. Das wird Deutschland nicht überleben.