Heute loben wir den gelben Messias. Vielleicht war es nur eine kleine technische Panne oder reiner Zufall, vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls stand letzte Woche in dieser schönen Zeitung auf Roger Leiners Karikatur über Probebohrungen für die hauptstädtische Trambahn der handschriftliche Zusatz: „Als Alternative zur Cyclissem-Zeechnung, wa mer eis National-Helden net beleidege wëllen, oder besser hir Supporteren!“ Es ist soweit gekommen, dass sogar Karikaturisten, deren Handwerk die gezielte Beleidigung ist, vor dem strahlenden Messias Schleck die Waffen strecken. „Gut beleidigt ist halb verteidigt“, schrieb schon vor Jahrhunderten der persische Philosoph Anaspratantum Schachlaminad. Diese tiefe Einsicht scheint nicht mehr zu gelten. Andy Schleck ist in Sphären angekommen, wo die liebenswürdige Beleidigung einem Staatsstreich ähnelt.
Das nehmen wir uns zu Herzen und verfallen unsererseits in maßlose Schwärmerei. Andy Schlecks wilder Konkurrent, dieser verbissene Spanier, ist bestenfalls eine Kalamität. Schon sein Name klingt wie ein Medikament. Boa Contador heißt eine extrem infame Giftschlange. Linguisten streiten zwar, ob man nicht „Constrictor“ sagen müsse, aber das tut hier nichts zur Sache. Con bleibt Con. Herr Contador ist eine Giftpackung in Menschengestalt. Falls er die Tour de France gewinnt, steht leider die Pharmaindustrie auf dem obersten Treppchen. Wie zuvor bei der tragischen Schweinegrippe-Farce. Ein Sieg Contadors wäre nichts als die Besiegelung einer künstlich hervorgerufenen Pedalen-Pandemie.
Nichts von alledem bei unserem herrlichen Andy Schleck. Er hat sich noch nie medikamentös verwöhnt. Doping kann er nicht mal buchstabieren. Er ist der Cleanste von allen Cleanen. Allein sein Name ist eine akustische Wohltat. „Schleck, Schleck, Schleck, streck deng Haren eraus!“, sang vor Jahren die muntere Bardentruppe Geeschtemat um Jo Nousse. Heute würde sich die Formation ganz gewiss Rullschtemat nennen, in der caravane publicitaire mitfahren und den Tourmalet als grandiosen Klangraum nutzen. Wer Schnecke heißt und tatsächlich alle anderen zur Schnecke macht, ist ein kluger Taktiker. „Deen huet et fauschtdéck am Suedel“, sagt meine Nachbarin. Auch sie unterschreibt mit beiden Händen den RTL-Begeisterungsschrei „Mir si giel!“
Nun tauchen ganz neue Fragen am Horizont auf. Andy Schleck ist längst eine staatstragende Figur. Wir sollten uns also langsam Gedanken machen, wie wir den Helden optimal in unser Staatsgefüge einbauen können. Es springt doch ins Auge: er ist längst zum männlichen Gegenstück der Trösterin der Betrübten avanciert. Auch rein optisch kann der smarte Dandy mit der brokatbehangenen Madonna problemlos mithalten. Sein blütengelbes Leibchen mit den tollen Werbeaufdrucken, seine eng anliegenden Rennfahrershorts, sein funkelnder Helm, der selbst die bombastischsten Damenhüte am Nationalfeiertag in den Schatten stellt, all die betörenden Details seiner Heldengarderobe laufen auf eine einzige Evidenz hinaus. Andy Schleck muss in der Kathedrale inthronisiert werden. Eine zweite Oktave muss her, ein vierzehntägiger Pilgerstrom mit unzähligen erzfrommen Luxemburgern, die nicht den Rosenkranz runterleiern, sondern öffentlich Petting mit dem roten Löwen treiben.
Es wäre übrigens ein mutiger Schritt in Richtung geschlechterübergreifende Gerechtigkeit. Endlich wäre Schluss mit dem nationalen Unfug, dass immer nur Damen für Wunder zuständig sind. Endlich würde ein Mann auf dem Hochaltar leuchten. Wir müssen die Trösterin der Betrübten natürlich nicht gleich in Pension schicken. Aber sie wird es schwer haben gegen den strahlenden Andy. Sie ist leider längst des massiven Weihrauchdopings überführt. Auch andere unerlaubte Mittel hat sie in rauen Mengen zu sich genommen, Irrationalität, Gotteswahn, Opium im Marx-Lenin’schen Sinn, allerlei obskures Zeug, zusammengemixt in den pfäffischen Giftläden. Andy Schleck ist über all diese Zweifel erhaben. Er ist eine Religion für sich. Durch ihn, mit ihm und in ihm sind wir Luxemburger plötzlich ein Weltreich.
Wir würden es ausdrücklich begrüßen, wenn Andy Schleck auf die tröstliche Idee käme, auch den Ehrenvorsitz der Luxemburger Gynäkologenvereinigung zu übernehmen. In der Familie pflegt man ja ein inniges Verhältnis zur Gynäkaologie. Das zeugt von Weitsicht und kluger Familienplanung. Nicht auszudenken, käme es bei Andy Schleck ausgerechnet im entscheidenden Konterlamonter zu einer abrupten Scheinschwangerschaft. Man weiß ja nie, was die Affenhitze alles auslösen kann. Dann muss sofort ein hoch qualifizierter Gynäkologe zur Stelle sein. Wenn es ein Spanier ist, umso besser. Dann wird dieser andere Spanier, das Boa-Giftpaket, ganz schön blöd aus der Wäsche schauen. Dieser Mensch wird nie in Gelb fahren. Es sei denn, er wird gelb vor Neid.