Heute loben wir die Intelligenz der Fische. Vermutlich will jeder von uns einmal im Leben Weltmeister werden. Es geht eigentlich nur darum, eine Disziplin ausfindig zu machen, in der noch nie ein Mensch Weltmeister gewesen ist. Als Kind wollte ich die Weltmeisterschaft im Luftanhalten gewinnen. Zwar war ich weltweit der einzige Anwärter auf den Titel, aber mein Versuch ist kläglich gescheitert. Vor lauter krampfhaftem Luftanhalten bin ich fast erstickt, mein Hausarzt hat mir dringend abgeraten, noch je einmal die entsprechende Weltbestleistung anzupeilen. Mein Hirn könnte nämlich implodieren, und ein Weltmeister mit einem derart geschädigten Organ sei nicht einmal mehr in der Lage, seinen Weltmeisterstatus korrekt wahrzunehmen.
Heute ist das Weltmeisterhandwerk weit fortgeschritten. Soeben hat ein Amerikaner im Akkord 46 Hamburger weggeputzt und ist der unangefochtene Weltmeister im Hamburgerwegputzen. Da kann ich nur neidvoll eine prinzipielle Kritik anbringen. Falls dieser Weltmeister Nachahmer findet oder sogar unzählige Schüler inspiriert, bricht die Welternährungskette zusammen. Die gesamte Nahrungsmittelproduktion müsste fortan in die amerikanische Hamburgerindustrie fließen. Das wäre zwar immer noch typisch amerikanisch, doch wir Europäer wären darauf angewiesen, mit der Weltmeisterschaft im Karottenfressen oder im Kartoffelverschlingen zu kontern. Was aber wiegt eine Karotte oder eine Kartoffel gegen einen Hamburger? Die Folge wäre ein Desaster: unser Europa, die Wiege der gastronomischen Kultur, könnte dem kulturlos kannibalischen Amerika nicht mehr im geringsten Paroli bieten.
Noch eifersüchtiger bin ich auf den im spanischen Merida frisch gekürten luxemburgischen Fischereiweltmeister (Achtung, keine Satire). Im Grunde ist dieser Titel eine Anmaßung. Denn die Palme gebührt nicht dem Fischer, sondern den zahlreichen Fischen, die sich todesmutig aufopferten, um höchst dekorativ am Haken zu zappeln. Diese Fische sind kollektive Weltmeister im Hakenbaumeln. Sie stürzten sich mit weltmeisterlicher Grandezza auf die Angel jenes gemütlichen Luxemburger Menschen, der sie nicht nur ins Jenseits befördert, sondern ihnen auch noch den Weltmeistertitel geklaut hat. Natürlich verstehen wir, dass tote Fische nicht auf ein Weltmeisterpodium klettern können.
Worin besteht denn nun die Leistung eines Fischereiweltmeisters? Warum wird ihm die Goldmedaille um den Hals gehängt? Ich denke, das hat unmittelbar mit der Psychologie der Fische zu tun. Entweder sind diese Fische reinste Zyniker, oder sie sind unheilbar luxophil. Die Luxophilie ist eine Fischkrankheit, die sich folgender Maßen äußert: sobald ein Luxemburger Fischer am Ufer hockt, geraten die Fische mental außer Kontrolle. Sie fühlen sich magisch angezogen von diesem bescheidenen Angelkämpfer aus dem bescheidenen Liliputland. Es handelt sich offenbar um konspirative Fische, die mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln verhindern möchten, dass zum Beispiel ein Deutscher oder ein Franzose Fischereiweltmeister wird. Diese Fische erlauben sich also eine politische Provokation.
Es könnte gut sein, dass der Luxemburger Weltmeister weder über die bessere Angel, noch über die wirksameren Köder verfügt. Es wäre sogar möglich, dass er überhaupt nicht fischen kann und nur so tut, als sei er eine Art konkurrenzloser Fischteich-Popstar. Alles weitere erledigen nämlich die Fische. Sie verwöhnen den Herrn aus dem zerbrechlichen Großherzogtum, weil sie andere, arrogante Herren aus machtgeilen Republiken abstrafen möchten. Der Fischereiweltmeister wäre demnach gut beraten, seine eigene Leistung taktisch flachzuhalten. Er hat im Endeffekt gar nichts geleistet. Er hat nur auf die intelligenten Wasserbewohner gewartet, die es faustdick hinter den Kiemen haben.
Natürlich könnte auch die erste Hypothese zutreffen. Die Intelligenz der Fische hat sich mit der Zeit so stark entwickelt, dass sie zu brutalen Zynikern mutiert sind. Vielleicht haben sie gemeinsam beschlossen: Jetzt zeigen wir es mal diesem angelbewehrten Wicht! Diese Luxemburger sind ohnehin manisch auf Weltmeisterehren fixiert. Sie sind schon Suizidweltmeister, Kaufkraftweltmeister, Konsumweltmeister, Suffweltmeister, Vielfraßweltmeister, Kegelbahnweltmeister, Protzkarossenweltmeister, Inkompetenzweltmeister (nein, nein, nicht nur in dem Ministerien), Sicherheitsweltmeister, Sprachverwirrungsweltmeister, Kulturverleugungsweltmeister, Pfaffenstaatsweltmeister, Grillwurstweltmeister, jetzt verpassen wir denen auch noch die Fischereiweltmeisterschaft. Und genau auf diese Weise führen wir die ärgerlichen Weltmeisterobsessionen des Kleinstaats ad absurdum.
Wahrscheinlich sitzt unser Fischereiweltmeister längst wieder irgendwo im Schatten, an der Sauer oder an einem verwandten Gewässer. Er verteidigt diskret und gelassen seinen Titel. Übrigens: Kormorane sind genauso intelligent wie Fische. Das ist ziemlich untertrieben, klar. Aber wir möchten die Fische nicht beleidigen.