Schöner Weltrekord

Verfluchte Pyramidenrandalierer!

d'Lëtzebuerger Land vom 30.08.2013

Heute loben wir einen schönen Weltrekord. Hör mal, Luxair, verdammte Touristenklitsche: Was soll das? Wieso drangsalierst du mich und meine Familie? Wieso werden wir bestraft, nur weil wir mit dir nach Ägypten in Urlaub geflogen sind? Was sind das für Manieren, Luxair? Zuerst verbarrikadiert man uns im Hotel und erzählt uns, ganz Sharm El Sheikh sei ab sofort ein höchst unsicheres Gelände. Ja, wie steht’s denn mit der Beleuchtung im Hirnkasten, Luxair? Nichts, aber auch gar nichts deutet in dieser paradiesischen Enklave auf Unsicherheit hin! Erschreckende Geräusche? Wieso? Wir hörten tagein, tagaus das Säuseln der sanften Winde und das erfrischende Klimpern der Bestecke am kalten Buffet. Wo droht denn da Gefahr? Willst du uns vollkommen verarschen, Luxair? Krieg? Umsturz? Wo denn? Unser Hotel war eine einzige Oase des Friedens.

Jetzt stehen wir wie belämmert auf unserem Airport Findel, die geile Meute der Pressefotografen rückt uns schamlos auf den Pelz, wie sehen wir denn aus? In unserer tollen Touristensommertracht? Wir sind ja längst keine Touristen mehr, du, Luxair, hast uns ausgebürgert, wir sind Vertriebene, Zwangsausgesiedelte, Heimgeschickte, Hinausgeworfene, Flüchtlinge! Wir fühlen uns elend, man hat uns mit einem Ägypten-Verbot belegt, unsere Rechte und Freiheiten wurden schändlich missachtet! Machst du vielleicht gemeinsame Sache mit den Militärs in Kairo, Luxair? Alles raus, was dir nicht in den Kram passt? Fußtritt in den Arsch aller Andersdenkenden, sogar in Sharm El Sheikh?

Jetzt reden wir mal Klartext, Luxair. Wenn wir uns gezielt dazu aufraffen, nach Ägypten zu reisen, sind wir ja nicht nur Touristen. Weder unbesorgte Spaziergänger noch hemmungslose Genießer. Nein, wir sind in humanitären Angelegenheiten unterwegs. Wir sind Friedensbotschafter, edel gesinnte Wohltäter im Krisengebiet. Hast du denn nicht gelesen, Luxair, dass Luxemburg den Weltrekord in Sachen Entwicklungshilfe hält? Wir sind die spendabelsten Menschenfreunde weltweit. Das bescheinigt uns sogar die OECD. Und die kompetenten Herrschaften haben genau ausgerechnet, was wir uns Jahr für Jahr unseren Weltrekord der Nächstenliebe kosten lassen: 106 Euro pro Luxemburger Kopf! Hast du überhaupt eine Ahnung, was das menschenrechtsmäßig bedeutet, Luxair? Oder rechnest du immer alles gleich in Kerosin-Volumen um? Weil du nichts anderes im Kopf hast als deine blöden Kosten-Nutzen-Kalkulationen?

Schreib’s dir hinter die Ohren, Luxair: Wir, das heißt ich und meine Familie, haben uns ohne Rücksicht auf Verluste nach Sharm El Sheikh begeben, um dem ägyptischen Volk unsere Solidarität und unseren Unterstützungswillen vorzuführen. Das ausufernd üppige kalte Büffet, dem wir uns von morgens bis abends ausführlich gewidmet haben, war dabei nur eine ökonomische Begleiterscheinung. Wir haben uns ganz bewusst einen Kugelbauch angefressen, damit die ägyptische Wirtschaft wachse und gedeihe. Keine Mühen haben wir gescheut, weder Sauna noch Massage, weder Whirlpool noch Kamelrückenrodeo, um dem Lebensstandard der Einheimischen auf die Sprünge zu helfen. Und eines solltest du auf gar keinen Fall vergessen, Luxair: Wir sorgen dafür, dass die Ägypter in Ägypten bleiben. Nicht auszudenken, was hier in Luxemburg los wäre, wenn wir jetzt auch noch mit einem ägyptischen Massenexodus beglückt würden! Hast du schon einmal gehört, Luxair, wie die kroatische Bedienung in der Pizzeria Tre Stelle in Hinteroberkerschingen das Wort Parmiggiano buchstabiert? Grausam! Unvorstellbar! Und jetzt sollen neben den sprachgestörten Kroaten plötzlich auch noch linguistisch hochgradig behinderte Ägypter in den luxemburgischen Pizzerien arbeiten? Soll denn der Parmiggiano endgültig zu Grunde gehen? Wie du siehst, Luxair: Indem wir mit dir nach Ägypten fliegen, verhindern wir solch horrende Kulturkatastrophen.

106 Euro Entwicklungshilfe pro Kopf! Und was tut der Ägypter mit unserer großzügigen Spende? Er kauft sich Messer und andere Waffen, um seinesgleichen aufzuschlitzen! Er verplempert unser gutes Geld mit Revolutionen und Gegenrevolutionen, statt sich dezent über unsere Zuneigung zu freuen. Er randaliert auf öffentlichen Plätzen, statt mit stillem Gebet die Herzensgüte seiner Förderer zu würdigen. Er schlägt alles kaputt, statt konstruktiv zu jubilieren über unsere kontinuierliche Aufbauleistung!

Und du, schändliche Luxair? Du machst dich gemein mit dieser ungemütlichen Meute! Du malst sogar Kriegsschatten an die Wand, wo nur der Kaffeeautomat friedlich gurgelt! Kein einziges Mal haben wir in Sharm El Sheikh irgendein bedrohliches Geräusch vernommen! Und du wirfst uns einfach aus unserem Hotel, Luxair! Das kommt dich teuer zu stehen. Nächstes Jahr reisen wir, das heißt, meine Familie und ich, mit dem Fahrrad nach Kautenbach. Ganz entwicklungshilfefrei. Und futtern täglich Hackfleischpyramiden, für 106 Euro pro Kopf. Nach Ägypten kannst du dann immer noch deine menschenleeren Flugmaschinen schicken, Luxair. Mit sehr enttäuschten Grüßen, dein Ex-Kunde Dieudonné Xavier Feiereisen und seine untröstliche Familie.

Guy Rewenig
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