Staatlich anerkannte Künstler

Alle Tassen im Schrank

d'Lëtzebuerger Land vom 02.08.2013

Heute loben wir die staatlich anerkannten Künstler. Das ist eine bahnbrechende Idee: der Regierungsrat hat beschlossen, dass Künstler sich die staatlichen Weihen verleihen lassen dürfen. Ja, Sie haben richtig gelesen. Das Kulturministerium vergibt künftig ganz offiziell den Titel „Künstler“. Man muss sich bewerben, eine Kommission entscheidet. Machen wir es kurz. Kunst und Staat schließen sich gegenseitig aus. Wer sich als Künstler freiwillig in die Obhut des Staates begibt, verhöhnt sein eigenes Handwerk. Diese tolldreiste „Maßnahme“ der Regierung hat also ungefähr die gleiche Qualität wie die berüchtigte Mammerent: niemand braucht sie, niemand hat sie verlangt, aber sie ist ein demagogisches Instrument, das den Mangel an tatsächlicher Politik kaschieren soll.

Wie der Luxemburger Staat ansonsten mit Künstlern umspringt, kann man beurteilen an Hand der Groteske um die Nachfolge von Claude Frisoni im Kulturzentrum Neumünster. Ein Verwaltungsrat soll beschließen, wer den unbändigen, aber leider pensionsreifen Wirbelwind namens Friso beerben darf. 16 Kandidaten hatten sich gemeldet, alle wurden verworfen, der Verwaltungsrat schreibt die Bewerbung neu aus. Er betont allerdings, dass alle Kandidaten, die als unzulänglich befunden wurden, selbstverständlich wieder antreten dürfen. An dieser absurden Klausel können wir ablesen, mit wem wir es in diesem Verwaltungsrat zu tun haben. Wir sind hier nämlich im Herzen des CSV-Staats, der in seinen zahllosen Verästelungen und Ausläufern noch unverschämter zu Werk geht als auf Regierungs- oder Parlaments­ebene. Dass abgelehnte, also unfähige und als untauglich eingestufte Kandidaten sich erneut bewerben dürfen, entspricht exakt der elektoralen CSV-Strategie. Jene inkompetente Partei, die der Einschätzung aller anderen Parteien gemäß den Staat über Jahrzehnte vernachlässigt hat, kandidiert wieder bei den anstehenden Neuwahlen, als sei sie die alleinige Retterin des Volkes. Nach dem Motto: Einsicht ist Gift, Arroganz ist Medizin, Apotheker haben wir sogar amtlich im Kabinett.

Den Ton in diesem Verwaltungsrat geben ein paar CSV-Gespenster an, also längst abgetakelte und pensionierte Staatsfunktionäre, die aber dem „Morbus Calteux“ gemäß immer wieder beharrlich den eigenen Ruhestand über den Haufen werfen. Ausgerechnet diese Herren wollen nun den künftigen Kandidaten einen test psychologique et d’intelligence verpassen. Was der psychologische Eingriff feststellen soll, ist nicht schwer zu erraten: Man will wissen, ob der Kandidat alle Tassen im Schrank hat. Richtig verschwommen wird allerdings die Geschichte, wenn ein Intelligenztest ins Spiel kommt. Um welche Intelligenz geht es hier? Etwa um die fatale Juncker-Intelligenz? Um das Talent, Vorschriften und Prozeduren zu umgehen, penetrant mit der Parteikarte zu wedeln und Mitbewerber auszutricksen? Ist mit dieser Intelligenz die Fähig-

keit gemeint, im CSV-Staat die Selbstbedienung zum obersten Prinzip zu erheben, unter gleichzeitigem Ausschluss jeglichen Verantwortungsgefühls? Wäre der intelligente Kandidat demnach ein Mensch, der sich nicht starrköpfig auf die Freiheit der Kunst beruft und seine spätere Arbeit nicht darauf anlegt, dem CSV-Staat zu schaden?

Darf man davon ausgehen, dass die Verwaltungsratsmitglieder den Intelligenztest an sich selber ausprobiert haben? Dass sie also anderen Menschen nicht zumuten, was sie selber nicht verantworten möchten? Wie sind sie denn Verwaltungsratsmitglieder geworden? Einfach per Nominierung, oder aufgrund ihrer nachprüfbaren Fachkompetenz in Sachen Kunst und Kultur? Gibt es unter ihnen etwa einen besonders wüsten Profiteur, der nichts unversucht hat, um seine gesamte Familie beim Staat unterzubringen? Exakt nach der rhetorischen Juncker-Frage Géift Dir dat dann net maachen? Wenn ja, aus welchen Gründen sollte sich dann ein Neumünster-Kandidat überhaupt einem solch dubiosen Gremium stellen? Wäre es nicht umgekehrt an den Kandidaten, die Herrschaften aus dem Verwaltungsrat mal auf Herz und Nieren zu prüfen? Sind maßlos verfilzte und unkontrollierte CSV-Seilschaften dieser Art etwa nicht generell kunst- und kulturfeindlich? Ganz einfach, weil Kunst und CSV von ihrem Wesen her völlig unvereinbar sind?

Vielleicht entstehen Staatskünstler ja ganz von selbst, sozusagen aus dem Nichts heraus, getreu der Vetternwirtschaftsdoktrin von Herrn Juncker (dem Mann mit dem karrierewilligen Chauffeur). In diesem Fall wäre die Konstellation zum Beispiel folgende: „Ich bin Filmstudent, mein Vater ist Generalkoordinator im Kulturministerium, soeben hat mir der nationale Filmfonds eine Subvention von 120 000 Euro für einen geplanten Kurzfilm bewilligt. Das hat natürlich gar nichts mit meinem Vater zu tun, sondern ausschließlich mit meiner überragenden Kompetenz als staatlich anerkannter Jungkünstler.“ Das großzügig subventionierte Filmchen heißt übrigens La Misère. Das ist ein schönes Eingeständnis. Immerhin hat Vaters Sohn verstanden, wie der Luxemburger Staat funktioniert.

Guy Rewenig
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