LEITARTIKEL

Erstmal freiwillig

d'Lëtzebuerger Land vom 09.09.2022

Als eine Ministerin und zwei Minister gestern Vormittag die Energiesparkampagne „Zesumme spueren – zesummenhalen“ vorstellten, hätten sie das ganz offensiv tun können. Hätten davon sprechen können, dass Energiesparen dringend geboten sei, dass die EU dazu ein solidarisches Bündnis hinbekommen habe. Hätte erklären können, was das mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine und dem noch immer andauernden Krieg zu tun hat. Hätte betonen können, dass der Energieverbrauch auch zum Klimaschutz gesenkt werden muss, dringend und deutlich und anhaltend.

Von all dem war ein wenig zu hören, aber eben nur ein wenig. Der Krieg in der Ukraine spielte die kleinste Rolle. Was vielleicht kein Wunder ist – von ihm spricht die Regierung kaum noch. Luxemburg habe „keine spezifische außenpolitische Position“ dazu, sondern unterstütze die der EU, erklärte LSAP-Außenminister Jean Asselborn am Dienstag. Hilfreich ist das nicht, wenn es darum geht, eine große nationale Energiespar-Koalition zu bilden. „Zesummenhalen“ ließe sich leichter begründen, wenn klar wäre, gegen wen oder gegen was eigentlich. Weil anscheinend nicht gegen den Aggressor Russland zusammengehalten werden soll, der in ein Nachbarland einmarschiert ist, und die Reaktionen der EU darauf in einen Wirtschafts- und Energiekrieg geführt haben, kann die Regierung nur sagen, dass Staat und Gemeinden, Privathaushalte und Privatunternehmen gemeinsam hohen Energiepreisen trotzen müssten. Die vielleicht wie eine Naturkatastrophe über das Land gekommen sind. Und dass die EU unter sich solidarisch sein müsse. Was sie auch beschlossen hat, was gestern aber selbst der so europaerfahrene Energieminister Claude Turmes (Grüne) nicht gerade hervorstrich.

Viel deutlicher wiesen er sowie Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) und Mittelstandsminister Lex Delles (DP) darauf hin, dass Sparpläne und -ideen für Staat, Gemeinden und Betriebe vorlägen. Also nicht etwa nur an die Bürger/innen appelliert werde. Und dass das Mitmachen bei den Sparmaßnahmen „freiwillig“ sei. Vorerst jedenfalls. Genauso, wie in der EU das Vorhaben, den Gasverbrauch um 15 Prozent gegenüber dem Durchschnitt der fünf Vorjahre zu senken, für jeden Mitgliedstaat zunächst freiwillig ist. Das Luxemburger Modell, meinte der Energieminister, bestehe darin, auf freiwillige Maßnahmen zu setzen, „ehe wir in den Polizeistaat eintreten“.

Höchstwahrscheinlich wird der Polizeistaat selbst dann nicht Realität, wenn die Regierung das Energiesparen durch eine großherzogliche Verordnung, die Claude Turmes’ Ministerium schon ausgearbeitet hat, zur Pflicht erklären würde. Die Energiepreise sind zum Sparen wahrscheinlich Anreiz genug – jedenfalls für den größten Teil der Bevölkerung, der es sich nicht leisten kann, Geld mit warmer Zimmerluft durch ein zu lange geöffnetes Fenster fliegen zu lassen. Spätestens als Turmes vergangene Woche wiederholt hatte, was von Energieversorger Enovos schon Mitte August zu hören war – eine Gaspreiserhöhung um 80 Prozent für den Herbst und eine Strompreiserhöhung um 35 Prozent ab Januar – dürfte auch dem Letzten klargeworden sein, dass es eine gute Idee ist, die Heizung ein Stück weniger aufzudrehen, öfter das Licht auszumachen und statt warm zu baden, warm zu duschen.

„Freiwillig“ heißt vor allem, dass die Regierung nicht jene gegen sich aufbringen will, die ihr die Schuld für die hohen Preise geben könnten. Zu viel von Pflichtmaßnahmen zu sprechen, wäre nicht gut, wenn weitere Entlastungen und Hilfen nur versprochen sind, die Tripartite über sie jedoch erst im Herbst entscheiden wird. Andere Länder sind da weiter, haben Milliardenpakete geschnürt oder diskutieren sie zumindest. Haben in ihre Energiemärkte eingegriffen, auch wenn das nicht ohne Risiko ist. Sie waren zumindest politisch tätig. In Luxemburg dagegen war Vakanz. An Notfallplänen zur Versorgung für den Fall, dass es ganz schlimm kommt und in der EU die Versorgung in Gefahr gerät, wurde gearbeitet, sogar sehr intensiv. Doch das war vor allem technisches Tun. Die Politik ruhte. Die Sparkampagne ist Ausdruck davon.

Peter Feist
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