Checks and Balances

Eine parlamentarische Anfrage

d'Lëtzebuerger Land du 22.06.2012

Über den Weg einer parlamentarischen Anfrage kann ein Abgeordneter die Regierung „kontrollieren“. Er kann versuchen, eine Sachlage zu klären, eine Entscheidung zu hinterfragen, eine ministerliche Meinung einzuholen oder einfach nur Informationen zu erhalten.

Nicht alle Abgeordneten benutzen das Instrument gleichermaßen. Einige stellen fast nie Fragen, wahrscheinlich weil sie über andere Informationskanäle verfügen. Andere dagegen stellen Fragen über Fragen, oft ganz interessante, manchmal natürlich auch überflüssige.

Früher war’s allerdings schlimmer. Ich erinnere mich an eine Anfrage aus den Neunzigerjahren an den damaligen Post- und Kommunikationsminister: „Herr Minister, seit mehr als sechs Wochen ist jetzt eine öffentliche Telefonkabine auf Cents kaputt. Was gedenken Sie zu tun?“ Die Qualität der Fragen hat sich also im Laufe der Zeit verbessert. Gilt das auch für die Antworten? Viel hängt davon ab, ob die Frage fundiert, korrekt gestellt und ehrlich gemeint ist, oder ob es sich einfach nur um einen Selbstdarstellungsversuch oder eine Art „Versuchsballon“ handelt.

Nehmen wir die Frage Nummer 2010 vom 15. März. Gestellt wurde sie von einem ADR-Abgeordneten, beantwortet wurde sie am 9. Mai von zwei CSV-Ministern. Es ging – oh Gott! – um die Pensionen im öffentlichen Dienst. Der Volksvertreter wollte wissen, ob es zu diesem Thema eine aktuarielle Studie gäbe.

Er stand unter dem Eindruck einer im Dezember 2011 von der deutschen Stiftung Marktwirtschaft vorgestellten Studie zum Thema „explizite“ und „implizite“ Staatsschulden in Europa. Explizit gesehen stünde Luxemburg mit einer Verschuldungsquote von weniger als 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (noch) ziemlich gut da, implizit dagegen würde das Haus bereits lichterloh brennen: Wegen versprochener, aber versteckter Pensionsansprüche wäre die tatsächliche Quote um mehr als das Fünfzigfache(!) höher. Er wollte auch noch wissen, wie sich die Pensionskosten in den nächsten Jahren weiterentwickeln würden, wie hoch die Durchschnittspensionen seien und wieviele Monatspensionen, öffentliche und private, über 5 000 Euro betragen würden.

Hier die „gepflegte“ Antwort der Regierung: Nein, eine solche Studie gäbe es nicht, es fehle ganz einfach an der nötigen IT-Infrastruktur [sic]. Aus demselben Grund sei es auch nicht möglich, in die Zukunft zu schauen. Bedingt durch die Reform von 1998 sei die Lage an der Pensionsfront so komplex geworden, dass Projektionen praktisch unmöglich seien. Was die Höhe der Pensionen anginge, sei ein öffentlich-privater Vergleich nicht ohne weiteres möglich. Auch die Frage betreffend die Zahl von Pensionen über 5 000 Euro könne man nicht genau beantworten, es gäbe ja keine Daten.

Dann kam doch noch eine Aussage, die allerdings sofort wieder relativiert wurde: In der Fonction publique lägen etwa 80 Prozent der Pensionen über dem angegebenen Schwellenwert. Allerdings stamme der größte Teil davon noch aus dem alten beziehungsweise dem Übergangsregime. Seit dem 1. Januar 1999 sei ja alles anders geworden.

Die Geschichte erinnert an die Szene zwischen dem zeitungslesenden Vater und dem wissbegierigen Jungen, der seinem Pappi Löcher in den Bauch fragt, dessen Fragen aber nie richtig beantwortet werden, nach dem Motto: „Jetzt nicht!“, „Was sagt denn Deine Lehrerin dazu?“ oder „Frag doch Mutti!“. Daraufhin der Junge: „Pappa, bin ich Dir lästig?“. Antwort des Vaters: „Nein mein Sohn, denn nur wenn Du Fragen stellst, lernst Du etwas hinzu.“

Claude Gengler
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