Freitag letzte Woche: Nach einem Raumplanerkongress, der mich nach Dortmund geführt hat, läuft mein Zug in den Bahnhof Luxemburg ein. Da die Stadt immer noch so kalt ist, wie ich sie am Vortag verlassen habe, möchte ich die letzten paar Kilometer mit dem Taxi zurückzulegen. Der Fahrer ist mir auf Anhieb sympathisch. Sobald ich Platz genommen und die Töne aus dem Radio vernommen habe, weiß ich, dass ich es mit einem Portugiesen zu tun habe. Wir kommen ins Gespräch und auf meine Frage hin erzählt er mir, dass er aus dem nördlichen Teil Portugals stammt und noch nicht lange in Luxemburg ist – vier Monate, um genau zu sein. Ich sage ihm, dass ich sein Land ein bisschen kenne und sehr schätze, insbesondere seitdem ich die Gegenden um Guimarães und Coimbra sowie verschiedene Küstenregionen kennengelernt habe.
Da er erst vor kurzem nach Luxemburg gekommen ist, frage ich ihn, ob seine Präsenz etwas mit der Krise zu tun hat. Ohne es zu wissen, aber wohl mit einer gewissen Vorahnung, habe ich mitten ins Schwarze getroffen. Luis, so sein Name, ist fast 25(!) Jahre lang Beamter im Finanzministerium seines Landes gewesen. 2011 wurde er mit anderen Arbeitskollegen entlassen. Sie lesen richtig: Beamte wurden entlassen. Portugiesische Sparzwänge machen auch vor Beamtenposten nicht (mehr) halt, und das nach 25 Dienstjahren. Der Ex-Beamte Luis wird also mit einer Abfindung vor die Tür gesetzt. Mit dem Geld kann er seinen Hauskredit zurückzahlen. Da seine beiden Kinder noch zur Universität gehen, kann er sich nicht einfach hängen lassen, sondern ist gezwungen, eine Lösung – sprich eine neue Arbeit – zu finden. Kein Job, kein Geld, kein erfüllendes Leben, keine Unterstützungsmöglichkeiten für die Kinder, keine soziale Anerkennung, kurz: Die Absturzgefahr als permanente Wegbegleiterin.
Luis hat einen Vetter, der seit Jahren in Luxemburg lebt und arbeitet. Dieser Verwandte verspricht ihm, „sich mal umzuhören“. Schließlich findet er etwas für seinen Cousin, und zwar ebendiese Stelle als Taxifahrer. Der ehemalige Finanzbeamte zögert nicht lange. Er sucht sich – wieder mit familiärem Beistand – eine kleine Wohnung, packt seine Siebensachen und tritt die Reise ins Ungewisse an. Gehört hatte er schon von Luxemburg, aber selbst hat er das Land noch nie besucht... geschweige denn, daran gedacht, einmal hier zu arbeiten. Warum auch, schließlich ist er ja Beamter (gewesen). Nachdem wir unser Ziel erreicht haben, ich die Fahrt bezahlt und ihm ein Trinkgeld gegeben habe, reicht er mir eine Visitenkarte seines Taxiunternehmens. Falls ich noch einmal ein Fortbewegungsmittel benötigen sollte, würde er mich gerne nochmal fahren, schließlich seien wir ja so etwas wie Ex-Beamtenkollegen.
Fazit: Es gibt angenehme und weniger angenehme Taxifahrten, und dann gibt es noch die, die einen nachdenklich stimmen. Über die Krise und ihre Folgeerscheinungen, über Sparprogramme, Lohnkürzungen, Rationalisierungsmaßnahmen und Entlassungen. Griechenland leidet im Moment sehr, aber auch Portugal leidet. Es ist ein eher stilles Leiden. Luis geht davon aus, dass er wenigstens fünf Jahre in Luxemburg bleiben wird. Er nimmt’s mit Fassung, schließlich ist er nicht der erste portugiesische Einwanderer, der in Luxemburg gelandet ist. Aber er wird in sein Land zurückkehren, ganz bestimmt. Als er das sagte, sah ich ihm an, dass er sich jetzt schon darauf freut.